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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna
Autoren: Jérômel Savary
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berühmte De Soto also seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr bewegt worden war, nahm Fidel pünktlich einmal im Monat einen Ölwechsel vor. Das kostete ihn nicht viel, denn da der Motor nie lief, war das Öl noch völlig jungfräulich. Er musste es also nur ablassen und wieder einfüllen.
    Wenn es auch stimmte, dass der Wagen nicht lief, wäre es falsch gewesen, zu behaupten, dass der Motor nicht lief, denn einmal im Monat machte Fidel die Tore seine Schuppens weit auf, und nach dem rituellen Ölwechsel ließ er den Motor einige Minuten laufen.
    Das waren für Fidel die glücklichsten Augenblicke seines ansonsten sehr monotonen Lebens: im Sonntagsanzug in einem Schaukelstuhl vor der Motorhaube sitzen, einen Rum trinken und dabei dem Schnurren des Motors zuhören.
     
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    Inzwischen war er ein alter Mann, vertrocknet und runzlig wie eine Dörrpflaume, den das Warten auf etwas, was nie eintrat, verrückt gemacht hatte.
    »Er ist seit vierzig Jahren da«, sagte José, der Fidel zum zehnten Mal besuchte, um ihn zu überreden, sein so wertvolles Gut zu verkaufen. »Warum sollte er abtreten? Er fühlt sich wohl, da, wo er ist! Du hast es doch selbst gesehen, gestern Abend in Cienfuegos hat er wieder eine Rede von sechs Stunden gehalten. Eine Rede über Drogen. Nein, mein alter Fidelino, es gibt keine Hoffnung. Du wirst krepieren, bevor er verschwindet!«
    »Das ist mir egal! Dann verrecke ich wenigstens in meinem Lastwagen!«
    »Und was ist mit deiner Tochter und deinem Sohn in Miami, die du seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hast? Hast du keine Lust, zu ihnen zu gehen?«
    »Doch, ich habe schon Lust, aber nur mit meinem Lastwagen!«
    »Aber überleg doch mal, Fidel, du findest nie im Leben eine Barke, die dich und deinen Lastwagen mitnehmen kann. Und stell dir mal das Gesicht der amerikanischen Küstenwache vor, wenn sie dich mit einem alten De Soto an Land gehen sehen.«
    »Ich scheiß auf die Küstenwache, entweder so oder gar nicht!«
     
    ––– ¤ –––
     
    Gloria, Fidels Tochter, hatte die Lage schließlich gerettet.
    »Der Alte muss sich in Miami behandeln lassen. Er dreht ja völlig durch.«
    Dank der allgemein bekannten Entspannung der Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten hatte sie mit einem Charterflugzeug kommen können, um ihren Vater zu besuchen.
    Gloria war ein aufgetakeltes, dickes Mädchen, hatte den gesunden Menschenverstand ihrer bäuerlichen Herkunft jedoch nicht verloren.
    »Wir kaufen dir in Miami einen neuen Lastwagen! Die kosten dort doch nichts!«
    »Aber so einen wie meinen gibt es da nicht! Und meiner ist neu! Und die Dekoration, hast du die Dekoration gesehen?«
    »Wir kaufen dir einen neuen Wagen und du kannst ihn wieder genauso bemalen.«
    »Kann ich eben nicht, ich sehe so gut wie nichts mehr.«
    »Dann lassen wir es einen Studenten von der Kunstakademie machen. Siehst du, ich mache einfach Fotos!«
    Dank ihrer Überzeugungskunst gab der Alte schließlich nach. Man handelte den Preis aus, zehntausend Dollar, ein stolzer Preis, aber immerhin war der Lastwagen neu!
    Man vereinbarte, dass ein Schnellboot den Alten vor Puerto Esperanza abholen sollte.
    Tag und Uhrzeit sollten José kurz vorher über eine Nachbarin, die Telefon besaß, mitgeteilt werden und er und Pedro würden Fidel an den verabredeten Ort bringen. Am nächsten Tag, nachdem die Tochter nach Miami zurückgekehrt war, kümmerte José sich um die Papiere. Man einigte sich darauf, dass Fidel bis zum Tag seiner Abreise im Lastwagen schlafen durfte.
     
    ––– ¤ –––
     
    An einem Sonntag im August saßen also drei Männer in Badehose an der Spitze des Holzstegs von Puerto Esperanza und legten es offenbar ernsthaft auf einen Sonnenstich an.
    Fidel sah aus wie der kleine Alte aus der Benny Hill Show. Er wirkte unglaublich mager in seinen geblümten Bermudas, zu denen er einen kanariengelben Pullunder mit königsblauem Streifen, eine neonrosa Mütze mit grünem Schirm und eine Sonnenbrille trug, die ihm etwa drei Nummern zu groß war. Gloria hatte ihm das alles geschickt, damit ihr Vater möglichst wie ein amerikanischer Tourist aussah. In einer roten Bauchtasche vom Campingladen, die Pedro ihm geschenkt hatte, befanden sich, in Plastik gewickelt, die Papiere des Alten und die zehntausend Dollar. Unter den Palmen vor der Hafenmole stand — blank poliert – der berühmte Lastwagen mit seinem Schlafzimmer hinten drin.
    Fidel drehte sich in einem fort nach ihm um und
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