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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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schließlich unter einem ekligen Geräusch aus der Wasserleitung ganz zu versiegen.
    Es gab also auch kein kühlendes Nass mehr, welches Erfrischung spenden könnte, jedenfalls keines, was aus der Leitung der Stadtwerke kommen würde. Die Lage war zum Verzweifeln, aber resignieren durfte man nicht und so spielten wir uns beide wohl ein Stück heile Welt vor, indem wir das Ausbleiben der Dusche herunterspielten und ungeduscht an die Ausführung unseres Plans gingen.
    Wir zogen uns an und packten eine Tasche mit allen Utensilien, die wir für unsere letzten Stunden auf Erden brauchen würden. Während ich die Sachen in der Küche in zwei Rücksäcke packte, schleppte Simon die in der ganzen Wohnung verstreuten, benötigten Habseligkeiten heran.
    »Sven«, rief mich Simon aus dem Wohnschlafzimmer, »haben wir noch Platz für den hier?«
    Er hielt einen alten Teddybären hoch, von dem er erzählt hatte, dass er von Kindesbeinen an sein ständiger Begleiter gewesen war. Natürlich konnte ich ihm diese Bitte nicht abschlagen und so verstaute ich den Teddy sorgfältig in Simons Rucksack.
    Nach kurzer Zeit waren wir abmarschbereit und für den Trip in Richtung Unendlichkeit gerüstet. Ein wenig sentimental ließen wir Simons Wohnung zurück, den Ort, an dem wir so viele schöne Stunden, während der relativ kurzen Zeit unserer Beziehung verbracht hatten.
    »Der Runaway-Express in Richtung Sterne ist abfahrbereit, bitte einsteigen«, scherzte ich, doch dieser gut gemeinte Witz ließ den abwesend wirkenden Simon völlig kalt und er starrte noch einmal an der Fassade hoch, an die Stelle, wo seine Wohnung lag.
    Wir liefen los. Unser Plan, die Stadt zu verlassen und die letzten gut 23 Stunden im Freien zu verbringen, im Schoß von Mutter Natur, würde sich nun also erfüllen. Doch zunächst mussten wir uns einen sicheren Weg aus der Stadt heraus suchen. Die Zahl der Spinner in den Straßen hatte zugenommen und so war der eine oder andere schützende Schlag ins Gesicht notwendig, um aus der Masse der Anderen zu entkommen und die letzten Stunden in trauter Zweisamkeit verbringen zu können.
    Wir lernten den Menschen von einer neuen Seite kennen – seiner eigenen Endlichkeit bewusst und der Ausweglosigkeit der Situation gewahr geworden, verschwand die Vernunft des Menschen und er irrte herum, schlimmer als jedes wahnsinnige Stück Vieh. Eigentlich sollte es schon stockfinster sein, doch am Horizont prangte immer noch der Schweif des Asteroiden, der die Apokalypse in weniger als 22 Stunden einleiten sollte. Doch auch er würde während der Nachtstunden eine Pause einlegen und erst am Morgen wieder sichtbar werden.
    Gerade als wir den Berg außerhalb der Stadt erreichten, auf dem wir unser Ende erwarten wollten, versank der Asteroid – jenes Damoklesschwert – am Horizont und für einen Moment würde nichts an das nahende Ende erinnern.
    Die Landschaft war menschenleer, wie wir es gehofft hatten. Es gab nur noch uns beide und den Berg. Ein letztes Mal sammelten wir alle Kräfte und stiegen den schmalen Wanderweg hoch zum Gipfel. Wir schwiegen und doch waren wir füreinander da – das war alles, was zählte: ein letztes Mal etwas zusammen erreichen.
    Stück für Stück erklommen wir den Berg und als wir schließlich an der Stelle unterhalb des Gipfels ankamen, entglitt Simon ein Seufzer und auch ich hatte jene Bilder von damals – na ja, von vor zwei Monaten – im Kopf, als wir eben just an jener Stelle zueinander gefunden hatten. Es kam mir alles so nahe vor …
    Vor zwei Monaten hatte unsere Fußballmannschaft ihren jährlichen Wanderausflug in die umliegenden Berge gemacht. Schon lange war ich heimlich in Simon verknallt gewesen, hatte aber immer Zweifel daran gehabt, ob er meine bisexuelle Neigung teilen würde, denn bis vor kurzem hatte er zu allem Übel eine Freundin gehabt. Wie oft hatte ich ihm meine Liebe gestehen wollen, nachdem er sich endlich von ihr getrennt hatte, aber es war nicht gegangen und ich hatte auch keine Eile gehabt, denn jeden Mittwoch im Training und an den Wochenenden konnte ich ihn in den Spielen und danach in der Dusche begutachten. Ich hatte also mehr als ich erwarten konnte, wenn es schief gegangen wäre und meine Gefühle keine Erwiderung gefunden hätten. Ich hatte es also ein ums andere Mal verschoben, aber jener Ausflug hatte die Wende gebracht. Der Aufstieg war mit meiner leichten Höhenangst kein Problem gewesen, doch als der Trainer beim Abstieg eine Abkürzung an einer ziemlich steil
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