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Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille
Autoren: Felicitas Roemer
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›großen Dingen‹ wirken die möglichen neuen Ziele so klein.« 6 Mit diesen Worten spricht sie wohl vielen Altersgenossen und -genossinnen geradewegs aus der Seele.
    Was sich in dieser Altersphase relativ oft einstellt, ist ein bleiernes Gefühl von Ratlosigkeit und Leere. Wer diese nicht spüren will, trinkt oft reichlich Alkohol, sitzt stundenlang vor dem PC oder vor der Glotze, stürzt sich hektisch in sinnbefreite Geschäftigkeit, treibt einfach kopflos seine beruflichen Tätigkeiten weiter voran oder sucht sich ein erotisches Abenteuer nach dem anderen. Denn dieses Gefühl der Leere kann durchaus quälend sein. Und wir sind nun mal geneigt, unangenehme Zustände möglichst schnell und gründlich auszublenden. Statt innezuhalten und sich zu fragen, was unsere Psyche uns eigentlich sagen will, dröhnen wir uns voll oder flüchten vor uns selbst. Meister im Abwehrenvon Selbstzweifeln, dem Gefühl von Sinnlosigkeit oder Enttäuschung sind oft äußerlich gut funktionierende Persönlichkeiten, die keinen Blick hinter ihre Fassade wagen. Denn was sie dort vorfänden, könnte unter Umständen ihrem eigenen Ich-Ideal stark widersprechen und sie in tiefe Verwirrungszustände stürzen. Das gilt es natürlich zu vermeiden, wenn man nach außen das Bild des erfolgreichen Managers oder der ewig toughen Selbstständigen vermitteln will.
    Manchmal sind es auch massive Ängste, die uns daran hindern, einen tieferen Blick in unsere Seele zu werfen. Um diese abzuwehren, muss viel Energie aufgewendet werden, was dann irgendwann in Erschöpfungszustände oder sogar Depressionen münden kann. Je hartnäckiger aufkommende Sinnfragen und Zweifel aber verdrängt werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Seele ein Ventil über körperliche Beschwerden sucht. Dann holt die tiefsitzende Sinnfrage den Betroffenen womöglich hinterrücks etwa in Form einer sogenannten Burnout-Symptomatik wieder ein.
    In dieser störanfälligen Lebensphase, die als »zweite Pubertät« bezeichnet wird, brechen auch manchmal alte Kindheitstraumata wieder auf. Lange Verdrängtes schleicht sich dann langsam ins Bewusstsein hinein und will gesehen und bearbeitet werden. Auch diese Prozesse werden oft von psychosomatischen Symptomen begleitet. Neben Angstzuständen, Panikattacken oder depressiven Verstimmungen sind es häufig Schmerzen ohne nachweisbare körperliche Ursache, die Menschen darauf aufmerksam machen, dass irgendetwas in ihnen gärt. Die interessanten Fragen, die hinter solchen Symptomen lauern, sind immer:
Worauf will mich mein Körper eigentlich aufmerksam machen?
Vernachlässige ich mich? Überfordere ich mich? Oder beides?
Was strengt mich gerade in meinem Leben so an?
Gehe ich zu oft über meine eigentlichen Bedürfnisse hinweg?
Wenn der Schmerz bzw. das Symptom sprechen könnte, was würde es mir sagen?
    Hier feinfühlig im Umgang mit dem eigenen Körper und der Seele zu werden, ist ein erster Schritt, Zugang zu den Themen zu finden, die sich da gerade so unangenehm melden. Und die uns auch zeigen, woran wir arbeiten können, um in unserem Leben weiterzukommen.
    Manche Frauen rutschen beispielsweise in depressionsartige Zustände, wenn die Wechseljahre einsetzen. Allerdings nicht zwangsläufig monokausal, weil sie in die Wechseljahre kommen, sondern weil zusätzlich unverarbeitete Themen hochkochen, die aufgrund des ohnehin etwas labileren Gesamtzustands weniger gut kompensiert werden können. Oder weil sie vielleicht merken, dass das Leben, das sie gerade führen, so gar nicht mehr dem entspricht, was sie sich eigentlich aktuell wünschen oder wie sie sich das vorgestellt haben. Die uns bewusster werdende Endlichkeit des Lebens drängt uns dazu, noch ein bisschen genauer hinzusehen: Was will ich noch erleben? Was ist mir besonders wichtig in meinem Leben? Was soll noch passieren?
    Doch auch wenn das alles nicht stattfindet und »frau« und »man« sich fit, fröhlich und gesund fühlt, bringt die »Lebensmitte« so einige Herausforderungen mit sich. Waren insbesondere Frauen bislang womöglich stark an Heim und Familie gebunden, so entsteht durch das Älterwerden der Kinder oft eine Lücke, die neu gefüllt werden muss. Insbesondere wenn Jugendliche und Heranwachsende das liebevoll-mütterliche Versorgungsprogramm jetzt vehement ablehnen, stellt sich das unbehagliche Gefühl ein, zumindest in dieser Hinsicht nicht mehr gebraucht zu werden. Diesen Abschied bewusst zu gestalten und als natürlichen Trauerprozess zu
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