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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen
Autoren: B Kirchhoff
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zwei Flaschen eigenes Öl, sämig und hell. Renz bringt einen Terre Brune nach unten. Jeder noch ein Glas, sagt Vila, in ihrem Schoß jetzt ein Buch. Die letzten Tage am See sind ruhig, sie liest und schreibt Mails, er feilt an seinen Vorabendhelden oder streicht etwas nach; die alten Malereimer stehen noch im Schuppen, in jedem ein Rest unter staubiger Haut. Die Hausfarbe, ein erschöpftes Sienarot, bläht sich an vielen Stellen, stößt man dagegen, fällt sie ab. Die Wände in den Bädern sind feucht, unter den Fliesen im Wohnraum nisten die Ameisen, zwei, drei Grissini-Krümel, und schon sind sie da. Man gewöhnt sich daran, sagt Renz zu Besuchern, man gewöhnt sich an alles Getier, sogar Vila an die Springspinnen! Das Haus lebt und sie beide mit; wenn es im Winter verlassen war, fallen an Ostern poröse Käfer aus den Vorhängen, nur Räuber überstehen die düsteren Monate: Vor der warmen Jahreszeit siedeln sie die Skorpione um, die unter Türrahmen ausgeharrt haben. Auf einem Blech tragen sie die gekrümmten, wie toten Wesen an den Rand des Gartens. Das Grundstück ist terrassiert, es gibt einen unteren, ungenutzten wilden Bereich voller Geraschel; im Vorjahr defilierten allabendlich zwei Ratten auf der Brüstung über dem Unkrautwäldchen, in diesem Sommer hat sich eine schwarze Schlange hervorgewagt und auf dem Rasen plötzlich aufgerichtet, ein kaum zu glaubendes Bild. Nur Renz hat die Schlange gesehen, nicht Vila: Sie hält die Geschichte für eine Erfindung, ein Märchen. Dafür hat sie einen Molch am Poolrand entdeckt, erschreckend wie eine Fledermaus, die starr auf dem Boden liegt. Als Katrin noch harmlos war, noch nicht das elterliche Leben kommentierend, hatte sich eine Fledermaus in ihr Zimmer verirrt, bei dem Versuch, sie nach draußen zu jagen, traf Renz sie mit dem Besen, sie fiel zu Boden und überschlug sich, die geäderten Flügel gespreizt, ein langsamer Tod, keiner konnte das zuckende Etwas erlösen. Und noch im selben Jahr der erste Einbruch, Katrins neue Halskette war morgens weg, seltene Tränen, die Renz trocknen durfte. Albaner, hieß es im Ort, aber es waren zwei hungrige Einheimische, Tage später gefasst, leider ohne Kette; sie hatten sogar den Kühlschrank geöffnet und sämtlichen Käse, den Parmaschinken und eine Trüffelsalami gegessen, während die drei Bewohner, Vater, Mutter, Kind, in den oberen Räumen schliefen. Danach die Anschaffung der Bewegungsmelder, die jetzt kaputt sind. Renz hätte sie ausgetauscht, aber in diesem Winter werden sie einen Hausbewohner und also auch Bewacher haben, zum ersten Mal in all den Jahren, einen alleinstehenden Mann aus Frankfurt, beurlaubter Lehrer nach Brandreden gegen die Dummheit seiner Schüler und Kollegen, einer, der das Haus mieten will, um an einem Buch über Franz von Assisi zu schreiben. Er war in Vilas Sendung, so hatte es sich ergeben – für die Mitternachtstipps ein Lichtblick, aber auch nicht ihre Rettung tief in der Nacht zum Montag. Und für ihn, Renz, ein kurioser Mensch, wenn nicht komischer Heiliger; sie hatten bisher nur telefoniert. Machen wir Schluss, sagt Vila, und sie leeren die Gläser, ein guter Wein, flüssige Erde. Sie gehen ins Haus mit all den brennenden Lampen, schließen die Türen; Stromkosten werden abgebucht, auch die für Wasser und Gas, Telefon und Internet. Der Gärtner wird bar bezahlt, schwarz wie die Handwerker, es gibt keine Rechnungen, keine Belege, es gibt nur Ausgaben. Das Haus frisst uns, sagt Renz, und dabei hängt er an jedem Stein und heißt alles gut, auch wenn es schädlich ist oder stört. Er mag den Efeu um die Bäume, den Telefonmast am Nachbarzaun, den erstickenden August, das Gartenchaos nach Gewittern, sogar die Ameisen auf der Treppe, ihre Straße in den oberen Stock. Er weicht ihnen aus beim Hinaufgehen, seine Hände suchen das Geländer, das es nicht gibt. Renz geht ins Bad und macht kein Licht, er mag sich nicht sehen, Bootsfahrten machen alt, bleigrau um die Augen, der Rest krankhaft gebräunt, die Lippen wie die Haut auf trockenen Trauben. Er klappt den Klodeckel hoch und danach wieder herunter, er will keinen Unfrieden; nachts benützt Vila das obere Bad, sonst geht sie ins größere unten. Er hat auch das kleinere Schlafzimmer und will dort nur weg sein, wie sie in ihren Kissen. Gute Nacht! Den ganzen Sommer über rufen sie es fast gleichzeitig, Parole ihrer Verflüchtigung, danach das Abtauchen. Von seinem Bett aus, bei geöffneten Läden, der Blick auf den nächtlichen Ort,
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