Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen
Autoren: B Kirchhoff
Vom Netzwerk:
tiefen moosdunklen Spalts, bei ihr das Bild, darin als Liebende zu ertrinken. Morgens fühlen sich dann beide erledigt, alt, auch wenn sie Föten sind, verglichen mit dem See, seinen Jahren, seiner Größe – bei Dunst im Süden uferlos, im Norden dagegen die Berge eng, ein Fjord, urzeitlich schroffe Wände, senkrecht über jadegrünem Wasser, atemlos still in der Mittagszeit. Und abends die Angler, die auf Sardinen aus sind, klein, silbrig, schmackhaft, Beweis, dass hier früher ein Meer war, lange vor den Menschen, vor ihrer Sehnsucht.
    Renz zeigt in Fahrtrichtung, man sieht schon wieder Lichter, das gewohnte Ufer, die Kirche von Torri, der Hafen, das Kastell; der Regen endet einfach, der Wind flaut ab. Wir werden zu schwach für das Boot, ruft Vila und lacht, ein kleines unbefreites Lachen, die immer noch prahlerisch schönen Lippen kaum geöffnet. Noch taucht sie alle zwei Wochen, immer am späten Sonntagabend, mit ihren Mitternachtstipps auf, und vor jedem Beitrag, den sie anmoderiert, auch ihrem eigenen, das kleine unbefreite Lachen, als genierte sie sich, zu so vorgerückter Stunde noch in alle möglichen Schlafzimmer mit Fernseher zu platzen. Jede Moderation ein Schleier aus Worten, über sich selbst geworfen, und in den Sommerwochen dazwischen, zu zweit an ihrem See, wenn die Freunde ausbleiben und auch die Tochter sonst wo ist, sagt sie oft nur das Nötigste, Bring eine Zeitung mit, wenn du Brot holst, Mach das Gartentor zu, Wir hören gar nichts mehr von Katrin, wieso nicht, Renz? Schon immer hat sie ihn beim Nachnamen genannt, zärtlich rau – sein Bernhard klang ihr zu bieder, zu dumm –, und im Gegenzug schuf er aus ihrem ganzen Namen, Verena Wieland, die Vila, die sie von da an war. Bis auf weiteres, Vila und Renz!, Schlussformel ihrer Mails an Bekannte und Freunde; Paare, die zu viel unter sich sind, bekommen etwas von alten Indianern – Großer Mund und Graues Auge, so könnte sie heißen, könnte er heißen. Erste Bojen tauchen auf, dunkle Köpfe über dem Wasser, der See ist in Ufernähe schon wieder ruhig, das Boot gleitet im Leerlauf, ab und zu ein Klatschen, wenn Fische nach Mücken geschnappt haben und ins Wasser zurückfallen; die besten Seefische sind die Aale, man fängt sie mit lebenden Stichlingen, den Haken durch den Leib gezogen. Die spüren das, soll Katrin als Kind gesagt haben – ein Vilasatz, den Renz nicht bestätigen will. Seine Boje ist schwer zu sehen im Dunkeln, nur durch das gelbe Schlauchboot, das an ihr hängt. An den Nachbarbojen die Jollen der Einheimischen, die alte Heureka, die Agnese, die Carmen, ihre Besitzer wohnen auf demselben Hang mit Blick über den See bis zur Insel vor der Bucht von Salò, zur Hälfte noch Olivenhang, früher von armen Bauern bewohnt, noch früher von verdienten römischen Legionären, denen etwas Land am Lacus Benacus zugeteilt worden war. Irgendwann wird alles hier den Chinesen gehören, meint Vila, nichts wird mehr an uns erinnern. In der Dunkelheit das Klacken des Karabiners, die gute alte Sea Ray ist festgemacht, man muss sie nur noch abdecken. Ein stummes Arbeiten, sie kennen die Griffe. Die Polster in der Kabine sind nass, sagt Vila, in ihrer Stimme ein leiser Triumph, die Fahrt war Renz’ Idee, obwohl es nach Regen aussah. Sie wischt die Polster mit einem Handtuch ab, dem großen blauen Edelhandtuch von Elfi und Lutz, ein Geschenk zu ihrem Fünfzigsten: besser als alle Polster. Wann hatten sie sich zuletzt in der Kabine geliebt, in der Mittagsstille vor San Vigilio, im zitternden Licht bei einer von Katrins CDs, für Renz heruntergeladen, damit er seine alten Songs an Bord hätte. Ein paar der Selbstgebrannten haben schon Schäden, Lieder verflüchtigen sich, ganze Refrains fehlen; die funkelnden Scheiben hängen jetzt über der Plane und schrecken die Möwen ab. Vila wirft Renz den Zündschlüssel zu, Du hast ihn schon neulich vergessen!, noch ein kleiner Triumph: Er hätte ihn auch wieder fast vergessen. Danach das Lösen des Schlauchboots von der Boje – das wäre besser gleich beim Festmachen getan worden, so muss Renz noch einmal an der Bootskante entlang, es wird immer schwerer, die Balance zu halten. Zuletzt das Abstellen des Stroms, das Schließen der Persenning, durch einen Stab in der Mitte erhöht, damit sich kein Regenwasser sammelt. Vila steigt in das kleine Boot, ihr Hintern wird nass, sie schimpft, während Renz zum Ufer übersetzt; am Wasser ein Pärchen, nur zwei glimmende Zigaretten. Zwischen den Glutpunkten ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher