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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen
Autoren: B Kirchhoff
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menschlichen Sorgengerüchen, stärker als jeder geliebte Geruch – er stand genau hinter ihr, sie hätte sich nur umdrehen müssen oder die Hand zurückstrecken, aber sie hat den Fels berührt. Vila? Ihr Name als bange Frage, Renz aus dem Halbschlaf, dann wieder nur Atmen, kleine zerhackte Melodien von Luftschüben zwischen den Zähnen, und sie hängte seine Sachen über den einzigen Stuhl, beim Ausziehen auf den Boden geworfen, Hose, Jacke, Hemd, und zurück auf dem Boden blieb ein Fetzen Zeitung, wohl aus einer Tasche gerutscht, sie hob ihn auf. Kleinanzeigen, Tiermarkt, eines der Gesuche umkringelt, Wer nimmt unsere Romy? Ein Rentnerpaar auf dem Sprung ins Heim, ratlos; sie steckte den Fetzen ein und lief ins Bad und wusch sich, bis Wangen und Augen gekühlt waren. Dann rief sie Katrin an, ein kurzes Gespräch – Katrin in Verona am Flughafen, schon auf dem Weg zur Abendmaschine nach Frankfurt, sie hatte den Angeschossenen doch in der Klinik besucht. Der wird wieder, sagte sie nur. Und nach ihren Besserungswünschen für Renz – der jetzt wach war, leise stöhnte – noch der Vorschlag, morgen Abend zu skypen, zwanzig Uhr, ihr letztes Wort. Vila machte das Telefon aus und trat ans Bett, sie griff Renz an die Stirn. Er glühte wieder, und sie gab ihm von den Tabletten, die sie durch Zureden bekommen hatte, eine Hand stützend an seinem nassen Kopf, damit er trinken konnte, die andere an ihrem Bauch, unter dem Shirt das Kuvert mit den Blättern, das zweite noch ungelesen, wie sie auch oft ein Buch an beglückender Stelle weglegte, aus Sorge, es könnte nur weniger gut weitergehen. Renz stemmte sich etwas auf. Was ist mit unserer Tochter?
    Die fliegt gerade nach Frankfurt, sie meldet sich morgen. Und wünscht dir gute Besserung. Du sollst vorsichtig sein, lieber noch einen Tag im Bett bleiben. Was denkst du? Sie ging ans Fenster und sah hinunter; es war dunkel geworden, die Gasse, das Pflaster, kaum mehr zu erkennen. Katrin hatte nur gute Besserung gewünscht, der weitere Betttag: ihre Erfindung, ihre Voraussicht. Dann hätte sie Zeit, noch in sämtliche Kirchen Assisis zu gehen, auch in die wenig besuchten, bis in einer vielleicht zwei Hände von hinten kämen. Du könntest dich zu mir legen, sagte Renz, das denke ich. Willst du? Er schlug die Decke zurück und lag in der Wäsche da, die Beine bleich, die Arme gebräunt, an den Innenseiten heller, ein Körper, der ihr leidtat, und sie legte sich zu ihm, angezogen; nur aus dem Bad fiel etwas Licht aufs Bett, matt von der Leuchtröhre. Renz drehte sich auf die Seite, er sah sie an, die Augen fieberglänzend, darin geplatzte Äderchen, heimliche Wundmale. Schlaf weiter, sagte sie und streichelte seinen Arm, ein Hin und Her wie durch eine Kraft, die nicht allein mit ihr zu tun hatte, auch mit den Wänden um sie, dem alten Gemäuer, alt wie das Pflaster der Gasse, eine Kraft, die der Gegenwart ihre Bedeutung nimmt – was ist schon dabei, den Menschen seines Lebens zu streicheln, wenn er mit Fieber im Bett liegt. Renz stoppte ihre Hand, Wie lange kennen wir uns? Er tat, als würde er rechnen, aber dann sagte er: Eine Ewigkeit, heute sehr selten. Heute muss ja alles intensiv sein, wie eine Leidenschaft, auf der Stelle eindringlich. Wir leben in einer unguten Zeit.
    Bitte, rief sie. Keine Vorträge.
    Dann sag mir, was du an unserem Mieter findest. Nur das, mehr nicht. Und bring mir Wasser, kalt aus der Leitung, lass es vorher abrinnen! Renz stemmte sich wieder auf, seine Nasenflügel pumpten, und sie ging ins Bad und ließ das Wasser abrinnen. Im Spiegel ihr blankes Gesicht, schön nur für den, der liebt. Sie würde das auf sich nehmen: alles für sich zu behalten, als hätte es zwischen ihr und Bühl auch nichts gegeben, das der Rede wert ist. Das Wasser kühlte ihren Daumen, der wieder wehtat; sie spülte die Saftreste aus dem Glas, ließ es volllaufen und brachte es ans Bett. Ich werde kein Wort sagen, Renz, wozu? Sie lief vom Bett zum Fenster und sah über die Nachbardächer auf die Lichter weit unten in der Ebene, sieben, acht, neun, sie versuchte, die Lichter zu zählen – sie und keine andere lenkte sich damit ab, die Zahl von schwach glimmenden Punkten in einem Meer aus Nacht festzustellen. Sechzehn waren es, keins mehr und keins weniger, sechzehn genau. Warum schläfst du nicht? Sie ging wieder zum Bett und schaute auf Renz hinunter. Oder was hättest du gern, soll ich schreien, willst du ein Vorabenddrama? Das ist mein Leben, meins! Und dabei schlage ich
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