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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer
Autoren: Hans Jellouschek
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heiraten!« Und wenn der andere dann spontan oder nach einer gewissen Bedenkzeit zu demselben Ergebnis kommt, erleben beide: Dieser Schritt war jetzt fällig, und er initiiert und erschließt eine neue Qualität des Zusammenlebens, die es bisher zwischen uns nicht gegeben hat.
    So unwahrscheinlich es klingen mag, weil äußerlich oft nicht viel anders wird: Es beginnt jetzt wirklich etwas Neues, und nicht nur deshalb, weil die Heirat auch vermögens- und erbrechtliche Folgen hat. Es beginnt auch psychologisch etwas Neues. Das spüren sogar Paare, die jahrelang »nur so« zusammengelebt haben und aus irgendeinemGrund dann doch noch die Entscheidung fällen, ihre Beziehung »zu legalisieren«. Dieser Schritt des ausdrücklichen Ja zueinander, die Aussagen »Du bist mein Mann, ich bin deine Frau« beziehungsweise »Du bist meine Frau, ich bin dein Mann« bewirken in der Seele eine Klarheit und Verbindlichkeit, die es vorher nicht gab. In der Regel erfüllt das beide mit einem tiefen Glück, bei allen Unsicherheiten und Ängsten, die vielleicht auch noch damit verbunden sind. Damit wird dieser Schritt nicht eine Garantie, aber eine gute Grundlage für eine »Liebe auf Dauer«.
    Warum ist das so? Das Bedürfnis nach verbindlicher Bindung ist nicht nur ein kindliches, das erfüllt werden muss, damit ein gutes Aufwachsen möglich wird. Dieses Bedürfnis begleitet uns ein Leben lang. Wir haben in den letzten Jahrzehnten das Erwachsen-Werden vielleicht zu sehr mit einem allzu individualistisch verstandenen Begriff von Autonomie identifiziert. Autonomie, Unabhängigkeit, Eigenständigkeit gehören freilich unverzichtbar zum Erwachsen-Sein. Aber menschliche Autonomie ist immer eine relative. Autonom sein heißt nicht autark sein. Wir sind zutiefst aufeinander angewiesen, um als Menschen leben und auch autonom sein zu können. Wir brauchen es, eingebunden zu sein, um uns als wichtig und liebenswert zu erleben. Und wir brauchen es, für jemanden »einzig«, am wichtigsten zu sein, um zu uns selber Ja sagen zu können. Das suchen wir in der Paarbeziehung, und dazu braucht es diesen ausdrücklichen Akt: »Du – mein Mann, ich – deine Frau«, »Du – meine Frau, ich – dein Mann«.
    Wenn das so ist, wenn dieser Schritt einem tiefen menschlichen Bedürfnis entspricht, warum wird er dann trotzdem von vielen Menschen vermieden? Den Willen zur Verbindlichkeit auszudrücken, diesem »Akt«, ob er nun in der Kirche, im Standesamt oder privat vollzogen wird, haftet immer eine gewisse Feierlichkeit an. Viele schrecken vor solcher Feierlichkeit zurück. Sie ist ihnen peinlich. Warum?Trauen sie sich nicht zu, etwas so »Schwerwiegendes« zum Ausdruck zu bringen? Warum trauen sie es sich nicht zu? Die Gründe können unterschiedlich sein.
Angst vor Bindung
    Das tiefe Bedürfnis nach Bindung ist bei vielen Menschen in der Kindheit nicht ausreichend erfüllt worden. Die moderne Säuglingsforschung hat herausgefunden, dass sich zwischen Kindern und Eltern bestimmte Bindungsmuster einspielen (Endres u.a. 2000). Man unterscheidet hier die sicher gebundenen Kinder von den unsicher gebundenen. Sicher gebundene Kinder , also Kinder, die die frühen Bezugspersonen verlässlich und in ihrer Verfügbarkeit sensibel und kontinuierlich erlebt haben, haben auch als Erwachsene keine Schwierigkeiten, ein eindeutiges Ja zum Partner, den sie lieben, zu sagen und sich auf dessen Wunsch nach Verbindlichkeit einzulassen. Bei unsicher gebundenen Kindern ist das jedoch anders. Sie haben von ihren wichtigen Bezugspersonen entweder überhaupt zu wenig Bindung erlebt oder ein Hin und Her zwischen manchmal übermäßiger Bindung und dann wieder abruptem Rückzug. Sie gehen mit einer großen Sehnsucht nach echter tiefer Bindung ins Leben hinein, zugleich aber auch mit einer großen Angst davor. Ihr Blick bleibt sozusagen rückwärts gewandt in die Kindheit. Hier suchen sie immer noch das, was sie nicht bekommen haben. Sie sind nicht wirklich frei für einen Partner, und wenn ihnen dieser ein intensives Bindungsbedürfnis entgegenbringt, bekommen sie Angst, wieder dieselbe Enttäuschung zu erleben wie damals. So werden sie hin- und hergerissen zwischen Bindungssehnsucht und Bindungsangst.
    Wenn sie ihre Partnerbeziehung »undefiniert« lassen, kommt das dieser Problemlage in gewissem Sinn entgegen,stellt sogar eine Art Problemlösung dar: Sie haben eine kontinuierliche Beziehung, aber Verbindlichkeit vermeiden sie. Freilich ist das keine wirkliche Lösung. Denn das
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