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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur
Autoren: Chris Moriarty
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über ihn hinwegfegte. Li drehte sich der Magen um, und sie schloss die Augen und wartete, weil sie wusste, dass sie es nur noch schlimmer machen würde, wenn sie den Kontakt zu lösen versuchte.
    Es ging vorbei.
    Kolodny verschwand, und Cohen war wieder da, als sei nichts geschehen.

    , fragte Li.
    Wenn ja, wollte er es nicht zugeben.
     
    Sie gingen über der nordwestlichen Ecke des Geländes nieder und seilten sich zwischen den Hundestreifen unauffällig ab. Als sie in den Schatten der Zuckerrübenanlage schlichen, sah Li, dass die aktiven Pigmente unter der Haut ihrer Leute die Tarnprogramme aktivierten: grau wie der Himmel, schmutzig braun, rostrot.
    Die Tür zum Labor befand sich, wie der Geheimdienst angegeben hatte, in einer Seitenwand der Anlage. Li trat zur Seite, während Catrall sich am Schloss zu schaffen machte. Dann tänzelten sie und Dalloway im Dreivierteltakt eine Treppe aus gerilltem Virustahl hinunter, sicherten den Treppenabsatz und ließen die anderen nachkommen.
    Sozas Lageplan zufolge führte der Treppenabsatz zu einem Laufsteg, über den man die äußeren Labors erreichen konnte. Li führte einen flüchtigen Wärmescan durch, um sich zu vergewissern, dass die umliegenden Labors leer waren, dann sprintete sie mit zweiundachtzig Stundenkilometern über den Steg – genauso, wie sie es vorher kalkuliert hatten. Während sie lief, spürte sie einen warnenden Stich im linken Knie. Sie würde den explosiven Sprint noch bereuen; Knochen und Bänder konnten mit Keramstahl nicht mithalten. Aber im Moment zählte nur die Zeit.
    Sie erreichte die Deckung, und auf ihren Wink hin stampfte der erste bewaffnete Trupp hinter ihr her. Sie lauschte, kniff die Augen zusammen, benutzte ihre Scanner. Dann ließ sie den zweiten Trupp nachkommen, und wie aus dem Lehrbuch schlich die gesamte Mannschaft im Watschelgang um die Ecke. Die beiden Gruppen vereinigten sich an einem Ende einer langen, hochmodernen Virufaktur-Bucht. Das ganze Labor war aus keramischen Materialien
gebaut. Weiße Wände, weißes Licht, weiße Böden und Decken. Der einzige Farbklecks war ein Warnzeichen vor gefährlichen Erregern in Form einer roten aufgehenden Sonne, die man mit einer Schablone auf den Boden gemalt hatte. Kein Firmenname darunter. Und warum auch? Nicht in einem Labor, das so offensichtlich illegal betrieben wurde.
    Zu beiden Seiten der Bucht reihten sich in einem Wirrwarr von Zufuhrleitungen und Biomonitoren offene Virufaktur-Tanks aneinender. Die Hälfte der Tanks war leer. Die andere Hälfte war mit einer klaren, hochgradigen Viru-Matrix gefüllt.
    , wandte sich Li an Cohen.
    , antwortete er.
    Sie sicherten das Labor und bewegten sich weiter.
    Sie durchkämmten planmäßig die nächsten drei Labors und fanden immer noch nichts, was das Interesse der KI erregte. In Labor 4 deckte Li Kolodny den Rücken, während Cohen sich einklinkte und einen ersten zaghaften Vorstoß in den Mainframe unternahm. Es brauchte weniger als eine Sekunde, um die Daten des Geheimdienstes zu bestätigen. Labor 5 war wie ein Schwarzes Loch im Labor-Netzwerk: ein völliges Fehlen von Output. Welches illegale Wetware-Gepansche hier auch immer durchgeführt wurde, Labor 5 war das Epizentrum.
    Ein toter Winkel führte in das Labor – der einzige tote Winkel im ganzen Komplex. Li erreichte ihn zuerst. Sie hielt inne, benutzte ihre Scanner und winkte Catrall zur gegenüberliegenden Wand, damit er ihr Feuerschutz gab. Auf sein Nicken hin machte sie ihren Implantaten Dampf und flitzte in einem Höllentempo um die Ecke – mitten in einen sengend weißen Lichtblitz hinein.
    Sie jagte einfach hindurch; welche Gefahr ihr auch immer drohte, sie durfte auf keinen Fall so dumm sein und
an Geschwindigkeit einbüßen, sonst würde sie womöglich in der Todeszone landen. Sie rollte hinter einen Stapel steriler Salzbehälter und hielt inne, um den Schaden einzuschätzen.
    Keiner.
    Sie war durch einen automatischen Bestrahlungsprojektor gelaufen, der den Inhalt der unversiegelten Virufaktur-Tanks in dem Labor schützen sollte. Ihre aktiven Pigmente reagierten, tarnten sie, würgten den Alarm ab, bevor ihr Eindringen ihn auslöste, schirmten die angriffstauglichen Viruglobuli auf ihrer Haut und der Uniform gegen die Strahlung ab. Kein Problem.
    Ein Problem gab es aber doch. Der Projektor hätte auf dem Lageplan verzeichnet sein müssen, den sie vom Geheimdienst erhalten hatten. Hätte, war aber nicht. Sie fragte sich, was der
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