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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur
Autoren: Chris Moriarty
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Flüssen geformt worden war. Die Panzerfähre wirbelte hinter ihnen Virufaktur-Bodenkrume auf und erfüllte Lis Nase mit den heißen, exotischen Gerüchen verwitternder Substanz.
    Sie überquerte das ruckelnde Flugdeck des Landers, beugte sich in den Wind und hielt Ausschau. Ihrem Ortungssystem zufolge war das Ziel nicht mehr weit, nah genug, um in diesem flachen Land mit bloßem Auge sichtbar zu sein. Aber auf Metz war das Terraforming erst teilweise abgeschlossen, und in der Atmosphäre wimmelte es noch von aktiven von-Neumann-Sonden und Viruglobuli; ihre optischen Instrumente hatten Mühe, das Strahlungsrauschen zu durchdringen. Sie blinzelte, schaltete auf Infrarot und dann auf Quantentelemetrie um. Keine Chance.

    »He, Kolodny«, fragte jemand. »Diese KI. Ist sie schon online?«
    Li musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es einer der neuen Rekruten war; Neulinge waren von den KIs immer fasziniert.
    »Noch nicht«, antwortete Kolodny. »Und sag nicht ›sie‹, wenn er mithört, sonst ist er beleidigt. Es ist ein ›Er‹, so wie ein Schiff eine ›Sie‹ ist.«
    »Wie fühlt sich das an, wenn sie … ich meine, wenn er im Overlay ist?«
    »So als ob man in ein brennendes Haus hineinläuft«, sagte Kolodny – und obwohl der Lander rumpelte und krachte, hörte Li deutlich den amüsierten Unterton. »Oder wenn man selbst das Haus ist.«
    Sie sah zu Kolodny hinüber und bemerkte, dass sie den alten Karabiner polierte, den sie immer mitführte. Sie hätte natürlich vorher fragen müssen. Bei diesem Angriff sollten nur nicht-letale Waffen eingesetzt werden. Aber Kolodny hatte sich das Recht verdient, einige Vorschriften zu verletzen. Und wenn Li ehrlich war, verletzte sie diese Vorschrift selbst.
    Sie sah noch einmal zur Luke hinaus und entdeckte ihr Ziel, ein heller silberner Fleck, der sich inmitten der dunklen Felder verlor. Er verschwand und tauchte wieder auf, je nachdem, in welche Richtung sich der Lander neigte. Der Fleck wuchs und zerfiel in zwei, dann fünf Gebäude. Ein Tor war zu erkennen. Ein Turm. Ein doppelter Zaun aus frisch gewalztem Bandstacheldraht schirmte das Gelände von den umliegenden Feldern am. Der Zaun umschloss einen Streifen festgestampfter Erde, ungefähr so breit wie die Kiesspur rings um ein Baseballfeld. Li fuhr die Vergrößerung ihrer Instrumente hoch und erkannte Pfotenabdrücke im Staub. Der Geheimdienst hatte von Hundestreifen gesprochen, und zumindest das schien zu stimmen.

    Hinter der Fahrbahn erhob sich ein schmaler Kubus aus einer Virufaktur-Legierung – ein vorgefertigtes Büromodul, das man mithilfe des Bose-Einstein-Relais in der Umlaufbahn von Metz repliziert und aus dem Orbit fallen gelassen hatte. Li vermutete, dass dieser kleine Luxus zur Entdeckung des Labors geführt hatte; die Frachtkosten hatten vermutlich noch auf Alba die Alarmglocken klingeln lassen. Der Würfel hatte auf den Satellitenaufnahmen wie eine Perle geschimmert, aber heute war er matt wie der Himmel, der sich in seinen Fenstern spiegelte. Unmittelbar südlich davon, versteckt hinter langen, flachen Baracken voller landwirtschaftlicher Geräte, befand sich die gedrungene, wacklige Konstruktion der Zuckerrübenanlage.
    Li sah sich im Kreise ihrer Mannschaft um. Shanna, Dalloway, Catrall und Kolodny waren Veteranen. Sie machten ihr keine Sorgen. Cohen war Cohen. Er würde wie üblich exzellente Arbeit leisten, ganz gleich, welche unbegreiflichen Beweggründe eine KI auch dazu motivierten, und sie brauchte sich keine Gedanken zu machen, dass er verletzt wurde, denn er würde nur über Kolodny physisch präsent sein. Sorgen machten ihr nur die zwei neuen Gesichter, die beiden Soldaten, die erst vor drei Tagen eingetroffen waren. Sie brauchten Zeit und Übung. Wie auch immer, sie mussten auf beides verzichten. Sie würden sich in den ersten Minuten zurechtfinden müssen oder nie.
    »Zwei Minuten noch«, schrie sie gegen den Wind an. Niemand antwortete. Sie warteten alle darauf, dass Cohen die Verbindung aufbaute.
    Li überprüfte ein letztes Mal ihre Waffen: das Impulsgewehr mit der langen Mündung, der Neuraldisruptor, der nur von den Truppen verwendet wurde – und den man wegen der beiden auffälligen Anodenstifte nur Viper nannte – , und ihre eigene handgefertigte Beretta. Dann ging sie
auf dem Flugdeck umher, mit gespreizten Beinen, um die Stöße und Schwankungen der Fähre auszugleichen, und überprüfte noch einmal die Waffen, die ganze Ausrüstung, sah ihren Leuten noch einmal in die
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