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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Atem. Der Rauch stieg senkrecht zum Himmel, aber zugleich rieselte feinste Asche herab, von der ihr bereits die Kehle brannte und die Augen tränten. Die Arme schmerzten ihr und waren völlig verkrampft, so fest umklammerte sie den Hals ihres Pferdes, fürchtete sie doch, sich mit ihren Zügeln nicht im Sattel halten zu können. Und ihr Hengst zitterte wie nach einem schar-
fen Tagesritt.
      Rings um sie flohen abertausend wilde Tiere in dieselbe Richtung
wie sie, hin zum Julukela. Die meisten sah sie gar nicht, sah nur die
Wogen und Wellen, die sie im hüfthohen Gras warfen. Aber hier
und da gewahrte sie einen Springbock neben einem Wolf oder
einen Bison neben einem Panther - die aber einander nicht
beachteten ... Selbst ihr Hengst schien diese Raubtiere nicht mehr
zu fürchten. Ja, sie hatte gehört, daß die Raubtiere und Beutetiere
friedlich nebeneinander vor Steppenbränden fliehen, aber nie ge-
dacht, daß sie das einmal mit eigenen Augen sehen würde.
  Nun ging die Steppe in Savanne über. Bald trennten Nelerissa nur
noch Meter von dem riesigen Kiefern- und Eichenwald, der sich
bis zum Fluß und weiter bis hoch in die Ausläufer der schon so
nahen Westberge dehnte und dazu bestimmt schien, wenigstens einen Teil des Gebirgswassers zurückzuhalten. Aber der Brand
hatte sie zur Rechten um hundert Meter überholt! Schon loderten
vier oder fünf Kiefern wie ölgetränkte Fackeln auf - in sonnenver-
branntem Gras breitet sich Feuer rasend und sprunghaft aus, in
staubtrockenem Wald aber auf noch unberechenbarere, gefähr-
lichere Weise.
      Das Gebirge wirkte verlockend nahe. Aber Nelerissa, als ein Kind
der Nordberge, ließ sich nicht zu dem Versuch verleiten, dessen
Ausläufer in einem Gewaltritt zu erreichen. Denn sie wußte wohl,
daß sie in Wirklichkeit sehr weit weg waren.
      So hielt sie ihr Pferd im Zwielicht dieser Mittagsstunde jäh an, sprang aus dem Sattel und zog ihren schärfsten Dolch, schnitt von ihrem Cape einen breiten Streifen und verband damit ihrem Hengst Kopf und Augen, so wie der Karawanenführer ihr es zu Beginn ihrer Reise geraten hatte. Dann zog sie sich ihre Sonnenkapuze über den Kopf, um sich gegen die unmittel-barere Hitze zu schützen, ergriff die Zügel und führte ihr Pferd in den Wald hinein.
      Da schnaubte der Hengst vor Angst, und seine Ohren zuckten.
  Auch Nelerissa fürchtete sich. Sie sah das Feuer nun nicht mehr, hörte es aber so deutlich wie ihr Pferd, hörte das Brüllen des Brandes, das Krachen der Bäume, die er in unersättlicher Gier verzehrte.
      Sie kam viel zu langsam voran. Die Sicht war schlecht: Der Rauch,
das Geäst und das Nadel- und Laubdach hielten das Licht der Sonne und des Feuers ab. Der Boden war holprig, von Unkraut überwuchert und voll tückischer Fußangeln aus Fallholz und Schlangenwurzeln. Die Kiefern und Eichen standen so dicht wie in Reih und Glied angetretene Soldaten; und die Zweige der Bäume und Büsche rissen wie mit Fingern an Nelerissa.
  Ein Sturm erhob sich. Unheimliches, waberndes Licht breitete sich
jäh aus. Das Brüllen des Feuers wurde zum Höllenlärm, den nur
der Knall vor Hitze berstender Bäume übertönte. Zu ihrer Rechten
sah Nelerissa schon Flammen um die nahen Stämme züngeln und
über den Baumkronen ein wogendes Feuermeer branden.
  Feuersturm!
      Da barst über ihr mit Donnerknall eine brennende Kiefer und warf einen wahren Funkenregen über sie. Sie konnte ihren Kopf noch mit den Armen, dem Cape schützen. Ihr Pferd aber traf die Glut an der Stirn, dicht über der Augenbinde. Da wieherte es wild und bäumte sich, daß es ihr die Zügel aus der Hand riß, ja, ihr fast den Arm ausgekugelt hätte, und stürmte dann geradewegs auf die Feuerwand zu.
      Nelerissa wollte ihm nach, es aufhalten. Aber das Feuer hüllte es in durchsichtig orangefarbene Schleier ein, und es schrie so gellend wie eine Frau in den kaiserlichen Folterkammern ... Schon leckten die Flammen auch nach ihr, brannte ihr Gesicht wie Feuer, und da wich sie zurück. 
  Dem Pferd war nicht mehr zu helfen! Sie machte kehrt, bedeckte Mund und Nase mit einem Zipfel ihres Capes und lief los, rannte um ihr Leben.
      Äste schlugen ihr ins Gesicht, Asche drang ihr in die Kehle, und glühend-heiße Luft versengte ihr Stirn und Brauen. Aber sie scherte sich nicht darum und lief und lief. Solche Hitze hatte sie selbst in ihrer Jugendzeit am Rand der Steppe nie erlebt. Es war wie in einem Brennofen!
      Sie stolperte über eine Wurzel und
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