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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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begrub im Fallen eine hüfthohe Jung-kiefer unter sich. Das ranke Bäumchen bog sich bis zum Boden unter ihrer Last und stach sie mit spitzen Nadeln durch Tuch und Haut. Vom Sturz betäubt, verharrte sie noch reglos, spürte aber, wie sich ihr ein Stück Glut durch Umhang und Hemd in die Schulter fraß. Da fuhr sie hoch, schlug die Glut jäh aus und rieb sich die Brandwunde - und sah zu ihrem Schreck, daß an den Stämmen ringsum Flammen herabschössen, sich wie rasend im Unterholz ausbreiteten und drohten, sie in einem tödlichen Feuerring einzuschließen.
      »Schützt mich, o Götter!« schrie sie und sprang in die Feuerwand.
      Am Kopf wurde ihr schrecklich heiß, und sie roch den Gestank von brennendem Haar.
      Sie landete auf Pflaster! Nur ihre dicken Stiefelsohlen dämpften den harten Aufprall, und sie stolperte, fing sich aber, rappelte sich hoch und taumelte keuchend quer über die uralte Flußstraße, auf die sie da unverhofft gestoßen war. Die Luft war so mit Asche und
Rauch durchsetzt, daß sie fast blind dahinstolperte und nicht ein-
mal ihre Stiefelspitzen, geschweige denn die Straßendecke sah.
  Plötzlich trat sie ins Leere. Sie hatte kein Pflaster und keinen Bo-
den mehr unter den Füßen, stürzte die steile Böschung hinab und
landete, mit dem Gesicht nach unten, im weichen, wäßrigen
Schlamm des Flußufers. Und nun wälzte und wälzte sie sich, um
die Flammen in ihrem Haar, auf ihrem Umhang zu ersticken, und
ließ sich nicht davon schrecken, daß diese Schlammbrühe so kalt
wie Schmelzwasser war.
      Erschöpft, aber erleichtert hob sie dann den Kopf und spuckte und
würgte all den übelriechenden Moder aus, der ihr in Mund und
Hals geraten war. Aber ihre Kapuze war weg, ihr Kopf kahlge-
brannt! Und die versengte, hauchzarte Kopfhaut brannte unter
ihrer tastenden Hand wie höllisches Feuer.
      Sie sah sich um. Weit reichte ihr Blick nicht in dieser mit Rauch
und Asche geschwängerten Luft - zwei Fuß bloß, nicht weiter.
  Aber im Waberlicht des Feuers sah sie statt braunem Gras grüne
Binsen. Den Göttern sei Dank - sie hatte das Ufer des Julukela
erreicht!
      Aber sie durfte hier nicht liegenbleiben, mußte sofort ins tiefe
Wasser. Dort wäre sie sicher, wenn es denn bei solch einem Feuer
überhaupt einen sicheren Ort gäbe.
      Auf Händen und Füßen kroch sie voran. Aber das Ufer fiel so steil
ab, daß sie in den Fluß rutschte. So hockte sie sich ins kinnhohe
Wasser, zog einen Dolch aus ihrem Gürtel und hieb sich eine Binse
ab, kappte die Spitze, nahm darauf das dicke Ende in den Mund
und tauchte unter.
      Aber nicht lange, da kam sie mit blauem Gesicht wieder hoch und
schnappte nach Luft. Was in alten Balladen gutging - daß im Fluß
untergetauchte Helden durch Binsen atmeten -, wollte hier, wo
die Binsen keine Luft durchließen, da sie in viele Kammern unter-
teilt waren, wohl nicht glücken ...
      Da stieß sich Nelerissa kräftig vom Grund ab, um ins tiefe Wasser
zu kraulen. Die Strömung faßte sie und trieb sie nach Osten; aber
sie ließ es geschehen, um sich nicht nutzlos zu verausgaben. Aber ihre Stiefel hingen wie Blei an ihr. Sie zogen ihr die Füße immer
wieder auf den Grund. Daher ließ sie das Kraulen sein, als sie in
schulterhohes Wasser kam, und blickte sich um.
  Auch hier war sie noch von zahllosen wilden Tieren umgeben.
  Rehe und Antilopen sah sie dort schwimmen und sogar einen
goldbraunen Panther, und sein unheimliches Fauchen, das dem
Feuer wohl eine Warnung sein sollte, ließ ihr fast das Herz stillste-
hen. Aber die anderen Tiere verhielten sich merkwürdig ruhig.
  Nelerissa tauchte völlig unter und hob nur ab und an den Kopf aus
dem Wasser, um Luft zu holen. Dabei sah sie, daß die Lohe von
Mal zu Mal um ein Stück näher war und jetzt bereits das sumpfige
Ufer erfaßte - ein Meer flüssigen Lichts, das die Binsen im Nu
dörrte und verzehrte. Ein furchtbarer Geruch lag in der Luft. Der
Himmel war rabenschwarz von Rauch und Asche, und darunter
stoben wie ein Sternschnuppenregen abertausend Funken.
  Und einer fiel ihr leicht wie eine Schneeflocke dicht unter dem
Auge auf die Wange. Da tauchte sie schnell wieder unter und rieb
sich die versengte Haut. Die Schmerzen, so durchdringend wie
von einem Speerstich, ließen auch nach, schwanden aber nicht
ganz.
      Jetzt wäre sie am liebsten ständig unten geblieben. Aber das ging
natürlich nicht. Sie schoß hoch, daß der Gischt nach allen Seiten
flog, und holte Atem, war dabei aber aus
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