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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Autoren: Jordan Bay
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kribbeln, sie konnte sich atmen hören, spürte das Leben zurück in ihren kalten Leib fließen wie einen Sturm, der nur auf seine Freilassung gewartet hatte.
    Ihre Fingerspitzen zuckten, lösten sich krampfartig aus der Kältestarre und wollten Elín endlich wieder gehorchen. Sie schloss ihre Hände zu Fäusten, löste sie und schloss sie noch einmal. Immer wieder. Bis sie eine beinahe normale Beweglichkeit erzielt hatten. Auch ihr Kopf fühlte sich langsam wärmer an. Elíns Nacken schmerzte, hinter ihrer Stirn dröhnte ein unglaublicher Bass, aber die Augenlider begannen endlich zu reagieren. Sie zitterten und ließen kleine stechende Lichtstrahlen hindurch. Elín blinzelte, kniff die Augen zusammen und öffnete sie erneut. Weit entfernt sah sie weißes Licht. Aber nach und nach wurde ihre Umgebung dunkler, immer dunkler, bis nur noch ein winziger heller Punkt übrig blieb. Außen herum bildete sich Schwärze.
    Wo zum Teufel war sie?
    Elín hob ihre Hand und fuhr sich übers Gesicht. Schweiß und Dreck bedeckten es.
    Sie rollte sich vorsichtig auf den Rücken, rieb solange über ihr Gesicht, bis sich die Haut normal anfühlte, und ließ die Arme entkräftet sinken. Sie hörte ihren Herzschlag in den Ohren, hörte sogar ihren Atem. Die Müdigkeit übermannte sie und lockte ihr Bewusstsein zurück in die Tiefe.
    Als Elín die Augen erneut öffnete, blickte sie auf dunklen Stein über sich – anthrazitfarben, beinahe schwarz. Vulkangestein, das sie wie ein Kokon umgab. Richtig, sie befand sich in einer verfluchten Höhle, fiel es ihr wieder ein.
    Sie sammelte ihre Kräfte und versuchte sich vorsichtig aufzurichten, zuckte sogleich zusammen. Ihr ganzer Körper spannte vor Schmerzen, als hätte sie fürchterlichen Muskelkater. Elín schob sich langsam rückwärts, bis sie ihren Rücken gegen den Stein lehnen konnte, ließ den Kopf nach hinten sinken und atmete tief ein.
    „Ahh! Scheiße!“ Auch ihre Lungen taten höllisch weh.
    Sie rieb sich mit der Hand über die Brust, als könnte das ihre Schmerzen lindern.
    Gekrümmt sah Elín an sich hinab. Sie trug eine dunkelblaue Windjacke, darunter einen schwarzen Rollkragenpullover. Ihre Füße steckten in braunen, kniehohen Stiefeln, aus denen eine blaue Jeans hervorlugte.
    Elíns Kopf fiel erschöpft zurück.
    In was für eine Scheiße hatte sie sich bloß geritten?
    Ihre Augenlider wurden schwer. Nur noch kurz ausruhen, ein paar Sekunden durchatmen. Dann würde sie aufstehen.
     
    Die Sonnenstrahlen erreichten Island und vertrieben das Dunkel der Nacht. Aus der marmorierten Landschaft kristallisierten sich frischer Schnee, rote und graue Felsen, Hügel und Vulkankrater heraus. Auf klaren Wasserflächen schwebte weißer Dunst von den kochend heißen Geysiren hinweg, die Gischt der vielen Wasserfälle gefror an den Felswänden und ein eisigkalter Wind fegte über die gesamte Insel.
    Das Leuchten von Diriris Stern verschwand hinter dem gleißenden Schein der Sonne und würde für sieben Stunden, zumindest in Island, nicht zu sehen sein. Jeden Tag verzagte sie innerlich, wenn es soweit war. Denn das bedeutete, dass Thanju in dieser Zeit nicht nach ihr suchen würde. Obwohl sie gestorben war und ihre Seele nur noch als Stern existierte, wartete Diriri auf den Moment, in dem der Tibeter sie entdeckte. Einfach nur, damit er wusste, wo sie sich befand.
    Auch wenn akkadische Sterne etwas heller leuchteten als gewöhnliche, waren sie von der Erde aus schwer zu erkennen. Ganz anders als in Enûma – im Göttereich, das sich zwischen Himmel und Erde in einer anderen Ebene befand. Dort fluteten die gefallenen Akkadier den Nachthimmel wie ein Regenbogen. Licht an Licht, Stern an Stern. Und jeder leuchtete in der Farbe, die seine Seele einst getragen hatte. So auch Diriri. Sie glänzte golden, wie die Sterne vieler weiblicher Akkadier, und prangte inmitten ihrer Brüder und Schwestern. Von ihrem Platz am Firmament hatte sie einen fantastischen Ausblick auf Enûma, sowie auf die Erde und ihre Menschen.
    Die Seele der gefallenen Akkadia beobachtete Ju seit mehr als fünfundachtzig Nächten. Und in jeder einzelnen hatte er nach oben in den Himmel geschaut, aber gespürt hatte Diriri nie etwas.
    Sie müsste lächeln, wenn sie es noch könnte.
    Was erhoffte sie sich schon von jemandem, der Gefühle als etwas betrachtete, das ihn schwächte und den eigenen Blick verklärte? Länger als ein Jahrhundert hatte Diriri mit dem tibetischen Dynasten verbracht und ihr Blut mit ihm geteilt. Doch zu
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