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Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Titel: Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Autoren: Alison Sinclair
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gefangen saß, einem Kokon aus meterlanger, aufgerollter Seide, einem erstickenden Traum – demselben, der sie schon als umschwärmte, junge Erbin verfolgt hatte, bevor sie Balthasar begegnete.
    Auch Vladimer hatte Albträume gehabt. Sie hatte gehört, wie er mit den Zähnen knirschte und vor sich hin murmelte. Sie sprach ihn nicht darauf an, und er erwähnte nicht, dass er sie hatte weinen hören. Sie beschränkten ihre Konversation auf pragmatische Dinge, auf das Beschaffen neuer Kleider und einiger Reiseutensilien, wobei das Tragen der Tasche ihr überlassen blieb.
    Vladimer fing einen vorübergehenden Lokomotivführer ab, um sich danach zu erkundigen, ob die Züge angesichts der Krise fahrplanmäßig verkehrten. Telmaine hatte keinen Gedanken daran verschwendet, wie sie herausfinden wollten, was draußen vorgefallen war, ohne damit zu verraten, dass sie nicht von dort kamen, doch Vladimer agierte sehr geschickt.
    »Grundgütige Imogene«, seufzte Telmaine, nachdem der Lokführer bissige Kommentare zum Zustand der Bahnhofstore nach den Übergriffen der Lichtgeborenen abgegeben hatte und weitergegangen war.
    »In der Tat«, sagte Vladimer grimmig. Keiner der Züge fuhr planmäßig. Die meisten würden sich erst nach Abschluss einer ersten Inspektion der Strecke in Bewegung setzen, doch auch dann würden sie aus Furcht vor Sabotage nur langsam fahren. Die Nachrichten aus Stranhorne waren rar und widersprüchlich, und der Grenzexpress zur Küste verkehrte an diesem Tag nicht. Selbst die langsame Verbindung stand in Frage.
    Bis zu diesem Moment hatte sie dieser Reise in die Grenzlande zwiespältig gegenübergestanden, doch nun konnte sie es kaum erwarten, dorthin zu gelangen und herauszufinden, was mit ihrem Mann – und mit Ishmael – geschehen war. »Können Sie uns denn keinen Sonderzug besorgen?«
    »Doch. Aber der würde erst in einer Stunde abfahren, frühestens. Vielleicht sollten wir eine Kutsche nehmen.«
    Schauderhafte Vorstellung, da keine Kutsche je an den Komfort und die Geschwindigkeit der Eisenbahn heranreichte. Sie wären einen Tag lang unterwegs, einen weiteren Tag in unangenehmer Gesellschaft. Für Vladimer mit seiner Wunde wäre es eine Qual. »Wir sollten frühstücken gehen«, sagte sie entschlossen. »Es wäre das Normalste für zwei verspätete Reisende. Sie kennen hier doch bestimmt ein ruhiges Plätzchen, an dem Sie nicht behelligt werden.«
    Kannte er – eine verschwiegene Bar abseits der Bahnhofshalle, in der Rendezvous und verbotene Transaktionen unbeobachtet vonstatten gehen konnten. Sie war noch nicht geöffnet, doch der Kellner erkannte Vladimer und ließ sie ein. Vladimer blieb stehen und wartete, bis sich Telmaine in einem Alkoven eingerichtet hatte. Dann sagte er unerwartet: »Bleiben Sie hier. Ich muss gewisse Vorkehrungen treffen.« Sie war schon halbwegs aufgestanden, bevor die Vernunft obsiegte, wobei sie gar nicht sagen konnte, ob sie ihn nun beschützen oder sich an ihn klammern wollte. Er durfte gern auf sich selbst aufpassen, wenn er denn darauf bestand. Während sie wartete, bestellte sie Tee für Vladimer und heiße Schokolade für sich selbst und alles, was an Resten vom gestrigen Abend übrig war, da der Bahnhof bisher noch keine neue Ware erhalten hatte. Zuletzt hatte sie beim erzherzoglichen Frühstück etwas gegessen. Und Vladimer konnte sich auch nicht ewig vom Inhalt seiner kleinen Fläschchen ernähren, auch wenn er dies vielleicht wollte.
    Vladimer kehrte vor dem Essen zurück, ließ sich auf der Bank nieder und legte seinen Stock zwischen ihnen auf den Tisch, mit der Spitze zur Tür. »Die Bahnbeamten haben eingewilligt, uns einen Sonderzug samt Personal und Wachen zur Verfügung zu stellen«, sagte er leise. »Eine Kolonne für die Inspektion der Strecken und der Telegrafen wird mitfahren. Erst geht es nach Strumheller, dann hinüber nach Stranhorne. Es wird nicht eben die denkbar sicherste Reise werden.« Ihr Gesichtsausdruck verriet ihren Unmut ob seiner sinnlosen und scheinheiligen Sorge. Sein Mundwinkel zuckte amüsiert, der Mistkerl. »Man wird uns informieren, sobald er bereitsteht. Vielleicht bekommen wir bis dahin Unterstützung. Wenn nicht, sind wir wieder nur zu zweit.«
    Der Kellner kam mit dem Tee und der heißen Schokolade, was eine unkluge Bemerkung ihrerseits verhinderte. Die heiße Schokolade erinnerte sie schmerzlich an ihre Flucht mit Balthasar zur Küste, als sie sich damit für den letzten Kampf gestärkt hatten. Ihr schnürte sich förmlich
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