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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest
Autoren: Sunil Mann
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stieß einen gellenden Schrei aus, dann stürzte sie sich todesmutig ins Getümmel. Mit ein paar gezielten Hieben ihres Bleistiftabsatzes trennte sie die Schläger. Die ließen von ihrem Opfer ab und blickten zuerst Miranda und dann sich an, entgeistert, als trauten sie ihren Augen nicht. Einer hielt sich die Wange, über die dünne blutige Striemen verliefen: Spuren von Mirandas Fingernägeln.
    Doch die drei Typen fassten sich rasch, innert Sekunden war Miranda umringt. Desperate Housewife vs. Reservoir Dogs. Es sah nicht gut aus.
    Ohne weiter zu überlegen stürzte ich mich auf den erstbesten Typen und bereute es auf der Stelle. Unter der schwarzen Trainingsjacke mit den goldenen Ärmelstreifen ertastete ich eine muskelbepackte Kampfmaschine, an deren mächtigen Schultern sich meine plötzlich lächerlich kleinen Händchen nun festklammerten, um ihn aus der Kampfzone zu zerren.
    Wie befürchtet rührte er sich keinen Zentimeter. Stattdessen versuchte Rambo, mich unwillig grunzend abzuschütteln. Ich ließ nicht locker und arbeitete mich zentimeterweise an seinem Stiernacken vorbei, bis es mir mit einer letzten Anstrengung gelang, den Unterarm um seinen Hals zu legen und zuzudrücken. Ein würgender Laut entfuhr ihm, doch mein Triumph währte nur kurz. Ich biss die Zähne zusammen, um den Schmerzensschrei zu unterdrücken, als er jetzt mit eisernem Griff mein Handgelenk packte und es umdrehte. Etwas knackte, doch noch gab ich nicht klein bei und krallte mich weiter an seinem Hals fest. Plötzlich bewegte er sich wie eine Dampfwalze rückwärts auf den Pfeiler zu und rammte mich gegen den Beton. Meine Lunge versuchte, durch den Hals zu entwischen, doch bevor ich nach Luft hätte schnappen können, stapfte die Kampfmaschine unter mir wieder vorwärts und wiederholte das Ganze. Unbeirrt klammerte ich mich an ihn, obwohl mir der Prosecco ätzend sauer die Speiseröhre hochschwappte. Hätte ich geahnt, was der Abend noch mit sich bringen würde, hätte ich etwas Magenschonenderes getrunken.
    Mit Anlauf knallte er mich erneut gegen die Wand und drückte dann kräftig dagegen, bis mir die Luft vollends wegblieb. Ich versuchte, gegen oben zu entkommen, doch ich war hoffnungslos zwischen der Mauer und dem breiten Rücken eingeklemmt. Der Muskelmann brüllte etwas, das ich nicht verstand, dann stemmte er die Beine in den Boden und presste so fest, bis ich flimmernde Punkte tanzen sah. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Boden. Mein Kopf war ein einziger Schmerz und mein Brustkasten fühlte sich an, als sei er unter einen Lastwagen geraten. Verschwommen sah ich, wie der Typ zurück zu der Keilerei rannte. Ich konnte demnach nur Sekunden bewusstlos gewesen sein. Miranda hielt sich tapfer. Zusammen mit José, der jetzt breitbeinig und mit erhobenen Fäusten neben ihr stand, hatte sie sich vor dem zusammengekrümmt am Boden liegenden Türken positioniert und verteidigte ihn und sich mit ihrem Schuh, dem mittlerweile der Absatz fehlte.
    Kitzelnd lief mir ein Rinnsal über die Wange, dann ein zweites, dickflüssig sammelte sich etwas über der Oberlippe. Ich schmeckte das Blut, metallisch und süß. Widerlich. Unwillig wischte ich es ab, als ich von Weitem die Polizeisirenen hörte. Jetzt galt es durchzuhalten, ohne größere Verluste zu riskieren. Schwankend erhob ich mich, doch in der Zwischenzeit hatte einer der Männer, ein untersetzter Typ mit einem brutalen Gesichtsausdruck, Miranda in den Schwitzkasten genommen, während José den zweiten, einen Großgewachsenen, etwas Pummeligen, der in einer grauen Kapuzenjacke steckte, mit Fäusten bedrohte.
    »Hey, Blödmann!«, schrie ich, und irritiert blickte der Kapuzenmann herüber. Ich zwinkerte ihm zu, und schon krachte Josés Faust gegen seinen Kiefer. Die Sonnenbrille flog in hohem Bogen durch die Luft, einen Wimpernschlag später traf Josés Schlag seine Nase. Stöhnend sackte der Typ auf die Knie und hielt sich die Hand schützend vors Gesicht, sein Blick vorwurfsvoll auf José gerichtet, wie ein Kind, das sich eine unverdiente Ohrfeige eingefangen hat. Als er die Hand senkte, war seine untere Gesichtshälfte blutverschmiert, er sah aus wie Hannibal Lecter nach einem Pausensnack. Weinerlich verzog er das Gesicht, während er panisch seine verschmierten Finger an der Jeans abwischte. José hob erneut die Faust, worauf sich der Pummelige duckte und jämmerlich wimmerte. Ich war erstaunt zu sehen, wie jung er noch war, keine zwanzig, schätzte
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