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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Noch war sie nicht am Ende. Noch war nichts entschieden.
     
    Levarda trug ihr rotes Kleid des Elements Feuer. Ihre Haare waren sorgsam geflochten und hochgesteckt. Hocherfreut über ihre Anfrage hatte ihre Tante dafür gern eine Magd geschickt.
    Die Dienerin hatte sie dazu überredet, ein wenig Gold auf ihre Lider aufzutragen und die Augen mit einem schmalen schwarzen Strich zu betonen. Das Ergebnis gefiel Levarda sogar, da es ihrem Aussehen etwas Gefährliches verlieh, das auf gewisse Weise zu dem Kleid passte.
    Lady Tibana schenkte ihr diesmal ein wohlwollendes Lächeln, als sie Levarda in einer Gruppe von Frauen auf dem Fest entdeckte. Inmitten des Glitzerns der anderen Hofdamen fiel sie zum Glück trotzdem nicht auf. Sie war entschlossen, heute zu zeigen, dass sie sich anpassen und fügen konnte. Sie vermied jeden Augenkontakt mit Männern, senkte demutsvoll den Kopf und gab sich bescheiden.
     
    »Hmm, Lord Otis scheint sich heute sehr angeregt mit Lord Blourred zu unterhalten.« Lady Eila, die vor ihr stand und über ihre Schulter einen Blick auf die Stirnseite der Halle warf, runzelte die Stirn. Levarda unterdrückte den Impuls, sich umzudrehen.
    Stattdessen fragte sie: »Was denkt Ihr, erscheint Euch Lord Blourred verstimmt?«
    Erstaunt, dass sie sich für ihre Bemerkung interessierte, antwortete Lady Eila eifrig: »Nein, wohl nicht, er sieht eher amüsiert aus. Er lacht.«
    Erleichtert stieß Levarda die angehaltene Luft wieder aus, jedoch nur, um sie erneut anzuhalten, weil Lady Eila plötzlich zusammenzuckte.
    »Oh«, stieß sie hervor, »Lord Otis kommt auf uns zu!«
    Hastig senkte Levarda den Blick und wollte dem Offizier den Weg zu Eila freigeben, da hörte sie seine herrische Stimme.
    »Lady Levarda? Dieser Tanz gehört mir!«
    Obwohl er sie erneut mit seinem Mangel an Höflichkeit bloßstellte, wahrte Levarda die Fassung. Sie spürte die Wärme auf ihrer Haut, während sie gegen seine Feuerkraft einen Schutzwall aufbaute, bevor sie sich langsam umdrehte. Die Augen demütig auf den Boden gesenkt, reichte sie ihm ihre Hand, um die herum sie sicherheitshalber einen weiteren Schutz wob.
    Der Lord nahm ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche. Als die Musik einsetzte, versuchte sie sich die Abfolge der Figuren in Erinnerung zu rufen. Zumindest half das bei der Wahrung ihrer inneren Ruhe.
    »Hebt den Kopf, ich möchte Euer Gesicht und Eure Augen sehen, Lady Levarda.«
    Sie bemühte sich um Fassung. Ihr Blick haftete weiter am Boden. Keinesfalls würde sie ihn ansehen. Sie wollte nicht ein zweites Mal in die Augen ihres Todes blicken und hoffte, ihr Tanzpartner würde es auf ihre Schüchternheit zurückführen. Schweigend beendeten sie den Tanz. Levarda atmete auf, machte einen Knicks.
    Der Lord indes ließ ihre Hand nicht los. »Der nächste Tanz gehört mir ebenfalls.«
    Dies war keine Bitte, sondern ein Befehl. Doch wenn er glaubte, sie würde ihre Höflichkeit vergessen und ihn stehenlassen, irrte er sich. Levarda lächelte sanftmütig, erstarrte aber, als sie fühlte, wie seine Hand sich um ihre Taille legte. Tatsächlich erklang die Musik für einen Tanz, der üblicherweise verheirateten Paaren vorbehalten war. Unverheiratete Tänzer verstießen nur in dem Fall nicht gegen die Regeln, sofern sie gebührenden Abstand voneinander hielten. Levarda versteifte sich augenblicklich und stolperte bei den ersten Schritten über ihre eigenen Füße, doch äußerst geschickt sorgte Lord Otis‘ Griff wieder für ihr Gleichgewicht, ohne dabei den Abstand zu ihr zu verringern.
    »Entspannt Euch. Wenn Ihr mich führen lasst, den Kopf hebt und nicht mehr verkrampft auf Eure Füße starrt, wird es mir leichter gelingen, Euch eine Blamage zu ersparen.«
    Levarda biss die Zähne zusammen und hob den Kopf ein wenig, um dezent an ihm vorbeizusehen, aber das half nicht. Im Gegenteil. Die schnellen Wendungen und Drehungen machten sie schwindlig.
    »Schließt Eure Augen, vertraut mir und lasst mich führen«, raunte Lord Otis ihr zu.
    Vertrauen! Welch eine Ironie! Sie kam erneut aus dem Gleichgewicht. Nur zögernd schloss sie die Augen, versuchte sich seiner Führung anzuvertrauen. Er hatte recht. So ging es leichter. Allerdings blieb die Steifheit in ihrem Körper bestehen, denn es wollte ihr nicht gelingen, sich in seiner Nähe zu entspannen. Sie biss die Zähne so fest zusammen, dass ihr die Kiefermuskeln wehtaten.
    Als die Musik endete, öffnete sie die Augen und sah den spöttischen Ausdruck auf Lord Otis‘ Gesicht.
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