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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Autoren: Johanna Rosen
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hast dich verändert, weißt du das?«
    Liebe, hätte er gerne geantwortet, aber das konnte er natürlich nicht gut sagen.
    Was war nur passiert mit ihm? Früher hatte er eine Menge Spaß im Leben gehabt. Auch und gerade mit seiner Freundin, die jetzt seine Frau war.
    Aber seit ihm diese wahnsinnige Liebe in den Weg gekommen war, war nichts wie vorher. Alles in ihm war in Aufruhr.
    Was sollte er nur tun? Seine Frau verlassen? Sich scheiden lassen? Noch mal von vorne beginnen? Mit ihr? Würde er denn eine Chance – den Anflug einer Chance bei ihr haben?
    Würde er sie verzaubern können, wie sie ihn verzaubert hatte?
    Er wollte sie beschützen, Tag und Nacht bei ihr sein, sie in seine Liebe einhüllen, ihre grauen Geisteraugen jeden Tag ansehen können. Würde ihm das jemals gelingen?
    Am Himmel waren, ohne dass er es gemerkt hatte, geballte, schwerfällige Wolken aufgezogen und plötzlich fror er, seine Zähne schlugen laut aufeinander.
    Sie war heute nicht aufgetaucht.
    Hoffentlich war ihr nichts zugestoßen.
    Sie war doch erst zehn.
    Er stand noch eine Weile da und spürte, wie die Abendkühle ihn durchdrang. Schließlich schaffte er es, sich loszureißen. Sich loszureißen und die Schultern zu straffen. Er würde einen Weg finden. Ganz sicher. Und dann würde er diesem Begehren, dieser Erregung, die ihn Tag und Nacht quälte, Herr werden.
    Sie war ja nur eine von vielen. Sie würde froh sein, wenn er kam und sie nahm.

Kalifornien 1991
    E s war ganz still. Eine stille Welt. Eine stille grüne Welt. Warum grün? Sie wusste es nicht. Aber es war auch egal, im Grunde.
    Sie lächelte mit geschlossenen Augen. Auch in ihrem Kopf, hinter ihren schweren Lidern blieb die Welt grün. Waldgrün, Meergrün, Flaschengrün, Waldmeistergrün, Moosgrün, Kleeblattgrün, Glücksgrün, Frühlingsgrün, Grasgrün, Olivgrün, Smaragdgrün, Schilfgrün, Maigrün, Tannengrün, Farngrün, Minzgrün.
    Dass es so viel Grün gab. Sie konnte es schmecken und riechen. Und irgendwie sogar hineinkriechen. Es fühlte sich weich an, weich und warm und geborgen. Sie seufzte wohlig und rollte sich wie ein Embryo zusammen, schlang die Arme um sich selbst und war so geborgen wie schon lange nicht mehr.
    Green’s the colour of the sparklin’ corn/In the morning, when we rise/In the morning, when we rise/That’s the time, that’s the time/I love the best.
    Wer sang das noch? Ein wunderschöner Song, und so wahr.
    Sie summte leise die Melodie, bis sie ein Teil davon wurde, ein Teil der Melodie dieser weichen, heilen, guten Welt.
    Wieso hatte sie bisher nicht gewusst, dass die Welt gut war? Gut und vollkommen. Nie mehr wollte sie hadern, nie mehr klagen, nie mehr weinen.
    Sie war eine Prinzessin, eine Königin, eine Unsterbliche, eine Priesterin.
    Aber was war das? Nein, das gehörte nicht hierher. Nicht in ihre neue Welt, die Frieden hieß. Weinen… Rudernde Arme, kleine Hände, die nach ihr griffen… Was, um Himmels willen, wollten sie von ihr? – Und immer wieder dieses keuchende Atmen. Wie warme Wolken vor ihrem müden Gesicht…
    Unwillig drehte sie sich weg, unwillig und behutsam, um das Gute, das Warme, Grüne, Tröstliche nicht zu verlieren. Unterdessen wurde das Weinen an ihrer Seite drängender, lauter, dann – endlich – nach schier einer Ewigkeit, leiser und leiser.
    Sie atmete auf.
    Dass neben ihr ein kleines Kind starb, bekam sie überhaupt nicht mit.

1
    E ine frühsommerliche Hitze lag über der Stadt.
    »Wir werden natürlich alle draufgehen«, prophezeite Ronan grinsend, als sie sich eine zweite Portion warme Asia-Nudeln bei Clark & Sons um die Ecke geholt hatten. »He, Dalí, sabbere gefälligst nicht in mein Essen, hörst du?«
    Er schob Salvadors hinkenden, immer hungrigen Hund beiseite und setzte sich zu den anderen. Für heute war die Schule vorbei und wie üblich waren sie noch in die Stadt hinuntergegangen, um etwas zu essen. Clark & Sons war ein schäbiges, in die Jahre gekommenes Ladengeschäft, geführt von Mr Clark Senior, der ebenfalls etwas schäbig und in die Jahre gekommen war und der jeden Morgen eine Menge uralte, wackelige Bistrotische mit dazugehörenden Wackelstühlen wahllos vor seinem Laden und auch noch um die Straßenecke herum aufstellte. Um die Straßenecke herum darum, weil die Schüler der Highschool, die seine Haupteinnahmequelle bildeten, ihm zu laut und nervenaufreibend waren, um sie immerzu unmittelbar vor Augen zu haben. Verzichten konnte er auf sie aber auch nicht, dann hätte er seinen Laden
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