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Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)

Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)

Titel: Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
Autoren: Rainer M. Schröder
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Gestein.
    Plötzlich rutschten die Finger seiner rechten Hand ab.
    Kendira zuckte zusammen. Scharf sog sie die kühle Nachtluft ein.
    Zwei, drei Wimpernschläge lang hing er nur mit der linken Hand am äußeren Ende des Überhangs. Das ganze Gewicht seines Körpers zerrte an den vier Fingern, die sich in den Fels krallten.
    Kendiras Herz begann zu rasen.
    Dante versuchte, sich mit der Linken an der Felsplatte weit genug hochzuziehen, um irgendwo weiter oben einen Halt für seine rechte Hand zu finden. Doch offenbar war da war nichts in greifbarer Nähe. Und dann gab er auf und ließ sich fallen.
    Um ein Haar hätte Kendira einen Schrei ausgestoßen, aber gerade noch rechtzeitig schlug sie die Hand vor den Mund.
    Auch Dante kam kein Schrei über die Lippen. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürzte er in die Tiefe.

3
    Auf dem Schreibtisch im Erkerzimmer der Lichtburg brannte nur eine Kerze. Ihr schwacher Schein fiel auf ein in Leder gebundenes, aufgeschlagenes Tagebuch mit gelblichen linierten Seiten und auf einen silbernen Stift, der zitternd über dem Ende eines Absatzes verharrte.
    Nicht dass es in diesem Zimmer nicht ausreichend Leuchtkörper gegeben hätte, die er mit einem Tastendruck hätte einschalten können. Aber in dem unbarmherzig hellen Licht hätte er noch weniger Mut gefunden, sich zur Wahrheit zu bekennen und sie auf den Seiten dieser geheimen Beichte niederzuschreiben. Das bescheidene Kerzenlicht machte es ein wenig erträglicher, sich der eigenen Schande zu stellen und die auch mit unverfälschter Wahrhaftigkeit in Worte zu fassen.
    In diesem Buch durfte es keinen Raum für Lügen, Ausflüchte und Rechtfertigungen geben. Er hatte sich schonungslose Entblößung geschworen– seiner eigenen Untaten wie auch die der anderen, und das schloss die geheimen Machenschaften des Wächterrats mit ein. Die feinen Ratsherren, die an der Küste von Norcal1 die Macht über die Supreme Republic of Hyperion ausübten, durften nicht ungeschoren davonkommen!
    Er hätte seine Geständnisse eigentlich in das Mikro seiner Videokamera sprechen sollen, aber das erbarmungslose Auge der Linse hätte er nicht ertragen. Es hatte ihn auch so schon all seinen Mut gekostet, überhaupt mit der Niederschrift zu beginnen.
    Die Angst vor den entsetzlichen Konsequenzen, die eine zufällige Entdeckung zur Folge haben würde, verließ ihn seitdem nicht mehr, trotz des perfekten Verstecks, über das er in seinen Privaträumen verfügte und in dem mehr Verbotenes als nur dieses eine Tagebuch verborgen lag, darunter so manches Seelengift.
    Meist lauerte seine Angst tief in seinem Unterbewusstsein, um ihn dann plötzlich anzuspringen und sich wie eine eiserne Klammer um seine Brust zu legen, sodass ihm der kalte Schweiß ausbrach und er zu ersticken glaubte.
    Und er hatte allen Grund, Angst zu haben. Denn wenn man ihm durch einen verhängnisvollen Zufall auf die Schliche kam oder man an seiner bedingungslosen Ergebenheit auch nur zu zweifeln begann, drohte ihm die Vernichtung. Dann war ihm seine völlige Auslöschung sicher und unausweichlich war auch die Verbannung seiner Familie in die Dunkelwelt der Trümmerstädte. Und Mary-Anne würde dort in wenigen Wochen elendig sterben.
    Bei dem Gedanken zitterte seine Hand so stark, dass er es aufgab, in seinem Bericht fortzufahren. In dieser Nachtstunde fehlte ihm einfach die Kraft dazu.
    Er ließ den Stift fallen, trat ans Erkerfenster und starrte hinaus in die Nacht. Sein Blick folgte den ruhelos hin und her irrenden Lichtbahnen der Suchscheinwerfer. Nicht mehr lange und ein neuer Tag brach in der Sicherheitszone von Liberty9 an.
    Sicherheitszone!
    Was für ein Hohn! Wer war denn hier sicher vor wem?
    Er lachte bitter auf. Aber was machte so ein verlogenes Wort in einem Sumpf von Lügen schon noch aus? Und dieser Sumpf aus Täuschungen und verbrecherischen Illusionen wurde mit jedem neuen Tag größer, tiefer und ekelhafter!
    Wie hatte er sich für dieses ehrlose Leben nur hergeben können?
    Die Antwort war beschämend einfach. Er hatte sich kaufen lassen, sich buchstäblich das Gewissen abkaufen lassen für ein Leben in Luxus und Sorglosigkeit. Sie alle, die sie hier in Liberty 9 Tag für Tag das fein gesponnene Netz der Lügen bewahrten, sie alle hatten sich kaufen lassen!

4
    Mit weit ausgestreckten Armen und Beinen landete Dante im zwei Meter über dem Boden aufgespannten Fangnetz. Viermal ließ er sich vom Netz ein Stück in die Höhe schnellen, dann hatte das elastische Gewebe seine
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