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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Nachbarhäusern wegen des nahe gelegenen Flughafens mindestens um ein Viertel niedriger.
    Das letzte Problem, von existenzieller Natur, wird auf dem verglasten Anschlagbrett erklärt:
    BEKANNTMACHUNG
    Wohnungsgenossenschaft Vishram Society, Turm A
Vakola, Santa Cruz (Ost), Mumbai – 400055
    Protokoll der außerordentlichen Mitgliederversammlung
am Samstag, 28. April
    THEMA:
DRINGLICHKEIT VON REPARATUREN ANERKANNT
    Da keine beschlussfähige Teilnehmerzahl anwesend war, nicht einmal bei einem derartig dringlichen Problem, musste die Versammlung um eine halbe Stunde verschoben werden; sie begann dann schließlich ungefähr um 19.30 Uhr.
    PUNKT 1 DER TAGESORDNUNG
    Mr Yogesh Murthy «Masterji» (3 A) schlug vor, das Protokoll der letzten Versammlung von Turm A als bereits vorgelesen zu betrachten, da eine Kopie des Protokolls schon unter den Mitgliedern im Umlauf gewesen sei. Einstimmig wurde beschlossen, besagtes Protokoll als vorgelesen zu betrachten.
    PUNKT 2 DER TAGESORDNUNG
    Zu Beginn äußerte Masterji (3 A, wie oben erwähnt) große Bedenken hinsichtlich des Gebäudezustands und betonte die Notwendigkeit, im Interesse der Sicherheit der Genossenschaftsmitglieder und der ihrer Kinder, mit den Reparaturarbeiten unbedingt umgehend zu beginnen; die meisten der Mitglieder äußerten ähnliche …
    … Versammlung wurde schließlich gegen 20.30 Uhr mit einem Antrag auf Entlastung für den Vorstand beendet.
    Kopie 1 an die Mitglieder der Wohnungsgenossenschaft Vishram Society, Turm A
    Kopie 2 an Mr A. Kothari, Verwalter, Wohnungsgenossenschaft Vishram Society, Turm A
    Hinter diese Bekanntmachung sind ältere Bekanntmachungen ähnlicher Art gepinnt. Nach mehr als vier Jahrzehnten Monsun, Erosion, Verwitterung, Luftverschmutzung und den sanften, aber ständigen Erschütterungen durch niedrig fliegende Flugzeuge, hat Turm A gute Chancen, beim nächsten Monsun zusammenzubrechen.
    Und dennoch glaubt keiner aus der Vishram Society, noch aus der Nachbarschaft wirklich, dass das Gebäude einstürzen wird.
    Vishram ist wie die Menschen, die in diesem Gebäude leben, Mittelklasse bis ins Mark. Verbesserung oder Versagen, es ist zu keinem dieser Extreme fähig. Die Männer haben einen bescheidenen Schmerbauch, tragen karierte Polyesterhemden über weißen
banians,
Unterhemden, und halten ihr Haar kurz und geölt. Die älteren Frauen tragen Saris,
salwar kameez
oder Röcke, und die jüngeren Jeans. Alle zahlen Steuern, unterstützen Wohltätigkeitsorganisationen und geben bei Regional- und landesweiten Wahlen ihre Stimme ab.
    Bombay beruht auf Menschen wie diesen. Kein Gebäude würde es wagen, über ihnen zusammenzustürzen.
    Nur ein kurzer Blick auf das abendliche Vishram, wenn auf dem Grundstück seine Bewohner plaudern und, auf weißen Plastikstühlen sitzend, sich mit der
Times of India
Luft zufächeln, und man weiß, dass diese Hausgemeinschaft – was wohl? –
pucca
ist.

ERSTES BUCH
WIE DAS ANGEBOT UNTERBREITET WURDE

11. MAI
    15 Uhr: die Hitze an ihrem alljährlichen Höhepunkt.
    Ram Khare, der Wachmann, kühlte sich mit seinem karierten Taschentuch, während er laut aus einer Kurzfassung der
Bhagavad Gita
las, in der seine langen Fingernägel lauter Druckstellen hinterlassen hatten.
    «… niemals über die Taten eines Mannes, sagte Krishna, sondern nur über die Früchte dieser Taten …»
    Eine Fliege rieb sich in der Nähe des heiligen Buches ihre Beine; unter einem Bild von Shiva brannten zwei Jasminräucherstäbchen, die den Rumgeruch im Wachhäuschen allerdings nicht völlig kaschierten.
    Ein Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose – Verkäufer, mutmaßte Ram Khare – stand vor dem Häuschen und trug seine Daten in das Besucherbuch ein. Der Mann steckte seinen Stift in seine Tasche zurück. «Kann ich jetzt reingehen?»
    Ram Khare schob den Daumen von seiner heiligen Kurzfassung zum Besucherbuch.
    «Sie haben die letzte Spalte noch nicht ausgefüllt.»
    Der Besucher lächelte, an einem der oberen Zähne fehlte eine Ecke. Er drückte die Kugelschreibermine wieder raus und schrieb in die Spalte mit der Überschrift
Besuch bei:
«Verwalter».
    Nach dem Betreten des Gebäudes wandte sich der Besucher, wie von Ram Khare angewiesen, nach rechts und ging in einen kleinen Raum mit offener Tür, in dem ein kahlköpfiger Mann an einem Schreibtisch saß. Ein Finger seiner linken Hand schwebte über einer Schreibmaschine.
    «… Mit-tei-lung … an die … Be-wooh-neer von Vi-shraaam …»
    Mit der anderen Hand hielt er
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