Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Runde in Mac's Place

Letzte Runde in Mac's Place

Titel: Letzte Runde in Mac's Place
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
steinalte, dreifach wiedergekäute Raubsaurierkacke. Aufgewärmte alte Hüte, um noch eine Metapher anzubringen. Bestenfalls eine dröge Lektüre für einen langen Flug.«
    »Das seh' ich anders«, sagte Undean. »Und wenn ich es anders sehe, dann bestimmt auch Sie.«
    Hamilton Keyes bedachte Undean erneut mit einem höflichen, aber leeren Blick.
    »Möchten Sie einen guten Rat?« fragte Undean.
    »Eigentlich nicht.«
    »Kaufen Sie sie«, sagte Undean. »Kaufen Sie die Memoiren und alle Rechte daran. Auf lange Sicht erspart Ihnen das eine Menge Kummer und Geld.«
    Mit einem Lächeln, das weder warm noch kalt war, stand der höfliche Mann auf. Ein Zimmertemperaturlächeln, befand Undean. Ein verabschiedendes Lächeln.
    »Es war schrecklich nett, wieder einmal mit Ihnen zu plaudern, Gilbert«, sagte Keyes, als er um den Rosenholzschreibtisch herumkam, wartete, bis Undean aufstand, dem alten Mann beruhigend die Hand auf die Schulter legte und ihn elegant zur Tür geleitete.
     

 
    V IER
    Nach fast einer Generation konnte man ihn immer noch an der selben Stelle finden, einige Blocks nördlich der K Street und etwas weniger weit westlich der Connecticut Avenue. Weil er in Washington, wo Restaurants häufig die Lebensspanne einer Eintagsfliege haben, so lange überdauert hatte, hielten viele Mac's Place entweder für ein inoffizielles Wahrzeichen oder, wenn sie unter 30 waren, für ein uriges und merkwürdiges Monument der Sechziger.
    Daß er überhaupt noch existierte, verdankte er vor allem einer florierenden Sozietät von Strafverteidigern, die gelegentlich mit Immobilien hantierten. 1987 hatten sie ein Konsortium gebildet, um das Grundstück unter Mac's Place und beträchtliche Anteile beiderseits davon zu erwerben.
    Dann hatte das Konsortium ein sechsstöckiges Bürogebäude über und um das Restaurant errichtet und besondere Mühe darauf verwendet, die wenig einnehmende Fassade sowie die exzellente Küche zu erhalten. Auf Befragen hatten die Anwälte ihre extravagante Konservierung stets mit der Aussage gerechtfertigt: »Wir haben in Büronähe ein nettes Plätzchen zum Mittagessen gebraucht.«
    Lange vor dem Auftauchen von Salatbars oder nouvelle cuisine und sehr, sehr lange vor dem mittlerweile wieder schwindenden Fimmel für die sogenannte gutbürgerliche amerikanische Küche, worunter gewöhnlich aufgewärmte Fleischklößchen zu verstehen waren, konnte man beinahe in jeder amerikanischen Stadt ein Restaurant, ein Steakhaus oder eine Grillbar im Stil von Mac's Place finden. Oft waren es lange, schmale und stille Räume mit einer leicht fremdartigen, melancholischen Atmosphäre, die mit großzügigen Drinks, flinker, einsilbiger Bedienung und einer reichhaltigen Speisekarte aufwarteten, die donnerstags vielleicht sogar Bries am Spieß beinhaltete.
    Großenteils aus Trägheit war es Mac's Place gelungen, eine ähnliche Atmosphäre zu konservieren. Es war, wie Michael Padillo, sein Mitbesitzer, einmal sagte: »Die Art von Laden, wo du hingehst, wenn du mit jemand verabredet bist und erklären mußt, warum du die Scheidung am Ende doch nicht durchkriegst.«
    Es war 13.22 Uhr, als Tinker Burns Isabelle Gelinet und Granville Haynes in Mac's Place eskortierte, wo sie blinzelnd stehenblieben und darauf warteten, daß ihre Augen sich an das immerwährende Zwielicht anpaßten. Während er sich umsah, stellte Haynes fest, daß der mittägliche Andrang sich allmählich zerstreute.
    Herr Horst, der 74 Jahre alte Oberkellner mit der beneidenswerten Haltung eines Zuchtmeisters, packte drei Speisekarten zusammen und bewegte sich gemächlich in die Richtung der neuen Gäste, als führe er eine Prozession von Bischöfen an. Als er ein paar Schritte von Tinker Burns entfernt war, den er seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte, blieb Herr Horst stehen und begrüßte ihn mit einem knappen, abrupten Kopfnicken, das Stammgäste als »Der Peitschenhieb« tituliert hatten. »Drei Gäste zum Lunch, Mr. Burns?«
    »Drei.«
    »Sitzen Sie noch immer gern mit dem Rücken zur Wand?«
    »Alte Angewohnheiten, ob gut oder schlecht, legt man schwer ab.«
    »Aber sie überbrücken auch, wie Proust bemerkte, die Zeit. Hier entlang, bitte.«
    Nachdem er sie zu einem Bankettisch geleitet, ihnen die Speisekarten überreicht und Gelinet namentlich ein Kompliment zu ihrem, wie er es bezeichnete, »Gewand« gemacht hatte, musterte Herr Horst, wie selbst Padillo ihn nannte, Granville Haynes und sagte: »Wir hatten das Vergnügen Ihres Besuches, Mr.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher