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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre
Autoren: Sue Grafton
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vielleicht helfen. Darf ich reinkommen?«
    »Oh, entschuldigen Sie. Jetzt hab’ ich’s kapiert. Sie sind die Privatdetektivin. Zuerst dachte ich, Sie wären vom Veteranenamt. Wie heißen Sie noch mal?«
    »Kinsey Millhone. Henrys Mieterin. Sie haben mich vermutlich schon drüben bei Rosie’s gesehen. Ich bin drei- oder viermal die Woche dort.«
    Endlich flackerte die Erinnerung auf. »Sie sind die, die immer in der hinteren Nische sitzt.«
    »Die bin ich.«
    »Klar. Jetzt weiß ich es wieder. Kommen Sie rein.« Er machte einen Schritt zurück, und ich betrat einen kleinen Flur mit einem Hartholzboden, der seit Jahren nicht mehr poliert worden war. Ich erhaschte einen Blick auf die Küche im hinteren Teil des Hauses. »Mein Dad ist gerade nicht da, und ich glaube, Babe steht unter der Dusche. Ich sollte ihr sagen, daß Sie da sind. He, Babe ?«
    Keine Antwort.
    Er legte den Kopf schief und lauschte. » He, Babe !«
    Ich war noch nie ein großer Fan davon, von einem Zimmer ins andere zu brüllen. »Möchten Sie sie suchen? Ich kann warten.«
    »O ja — gute Idee. Ich bin gleich wieder da. Setzen Sie sich«, sagte er. Er ging den Flur hinab, und ich hörte das Trampeln der harten Sohlen seiner Schuhe. Er öffnete eine Tür zu seiner Rechten und steckte den Kopf hinein. Die Rohre in der Wand gaben ein ersticktes Kreischen von sich, und die Leitungen knarzten und gluckerten, als die Dusche abgestellt wurde.
    Ich stieg eine Stufe zum Wohnzimmer hinab, das nur wenig größer war als der Teppich mit seinen knapp zehn Quadratmetern. Am einen Ende des Raums befand sich ein flacher, weißgestrichener Kamin aus Ziegeln mit einem hölzernen Kaminsims, das von Nippes übersät war. Auf beiden Seiten des Kamins standen Einbau-Bücherregale, die mit Papieren und Illustrierten vollgestopft waren. Ich ließ mich vorsichtig auf einer durchgesessenen Couch nieder, über der ein braun-gelber Afghane lag. Es roch nach Hausschwamm oder nassem Hund. Der Couchtisch war mit leeren Fast-Food-Behältern übersät, und sämtliche Sitzgelegenheiten waren auf einen uralten Fernseher ausgerichtet, der in einem überdimensionalen Fernsehschrank stand.
    Bucky kam zurück. »Sie sagt, wir sollen schon anfangen. Wir haben gleich einen Termin, und sie zieht sich gerade erst an. Mein Dad ist bald wieder da. Er ist nach Perdido gefahren, um sich Lampen anzusehen. Wir möchten Pappys Apartment herrichten, damit wir es vermieten können.« Er blieb auf der Türschwelle stehen und sah das Zimmer offenbar mit meinen Augen. »Sieht aus wie auf der Müllkippe, aber Pappy hat seine Kröten ganz schön zusammengehalten.«
    »Seit wann wohnen Sie hier?«
    »Schon fast zwei Jahre, seit Babe und ich geheiratet haben«, sagte er. »Ich dachte, der alte Kauz würde uns bei der Miete ein bißchen entgegenkommen, aber er hat seine Knickerigkeit als Wissenschaft betrieben.«
    Da ich selbst knickerig bin, war ich natürlich neugierig. Vielleicht konnte ich ein paar Tips aufschnappen, dachte ich mir. »Inwiefern?«
    Buckys Mund verzog sich nach unten. »Ich weiß nicht. Er wollte nicht für die Müllabfuhr bezahlen, und so ist er an Abfuhrtagen immer ganz früh losgegangen und hat seinen Müll in die Tonnen der Nachbarn gesteckt. Und wissen Sie, einmal hat ihm einer verraten, wie man die Rechnungen von den Stadtwerken bezahlt. Man braucht nur eine Ein-Cent-Marke draufkleben, den Absender weglassen und den Umschlag in einen abgelegenen Briefkasten werfen. Die Post stellt ihn zu, weil die Stadt ihr Geld haben will, also kann man Porto sparen.«
    Ich sagte: »He, tolles Geschäft. Was schätzen Sie, zehn Dollar im Jahr? Das ist ja wirklich verlockend. Er muß ein echtes Original gewesen sein.«
    »Kannten Sie ihn nicht?«
    »Ich habe ihn öfter bei Rosie’s drüben gesehen, aber wir haben uns, glaube ich, nie kennengelernt.«
    Bucky nickte zum Kamin hinüber. »Das da drüben ist er. Der ganz rechts.«
    Ich folgte seinem Blick und erwartete, ein Foto auf dem Kaminsims stehen zu sehen. Doch ich sah nur drei Urnen und einen mittelgroßen Metallkasten. Bucky sagte: »Diese grünliche Marmorurne ist meine Oma, und direkt daneben steht mein Onkel Duane. Er war der einzige Bruder meines Vaters, kam schon als Kind ums Leben. Mit acht, glaube ich. Hat auf den Gleisen gespielt und wurde von einem Zug überfahren. In der schwarzen Urne ist meine Tante Maple.«
    Mir wollte um keinen Preis ein höflicher Kommentar einfallen. Der familiäre Wohlstand mußte im Lauf der Jahre stetig
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