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Letzte Aufzeichnungen

Letzte Aufzeichnungen

Titel: Letzte Aufzeichnungen
Autoren: Erich Honecker
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nicht reagieren. Ich kann und will nicht glauben, dass er so fertig ist.
    Am Nachmittag kommt Rechtsanwalt Becker. Wir besprechen etwa ein Dutzend Themen, die meine unmittelbare Situation betreffen.
    1. Verbindung mit meiner Frau
    2. meine Rente 14
    3. mein Konto 15
    4. unsere Sachen aus der Hütte
    5. Jagdwaffen und zwei -fahrzeuge
    6. Telefonat mit Manfred und Erika 16
    7. kein Buch
    8. Bilder der Enkel
    9. mein Lebenslauf in den Gestapo-Akten.
    Zum Prozess:
    Wie kam es zur Spaltung Deutschlands?
    Wie kam es zur Mauer?
    Chronologie der Reisepläne und -absagen in die BRD.
    Gorbatschow 1984 und 1986/87 dagegen.

2. August
    Mein Blutdruck ist 200 zu 160, so hoch wie noch nie.
    Die Leute von der
taz
sind gut. Bringen jeden Tag eine Zeitung heraus, obwohl auch sie nicht in Ordnung ist. 21

3. August
    Suche wegen des Bluthochdrucks das Krankenhaus Moabit auf. Werde vom Personal gut aufgenommen und behandelt.
    Prof. Dr. Volker Taenzer, ein Radiologe, untersucht meine Leber. 22 Ich sehe die dunklen Stellen auf dem Röntgenbild. Er fragt nach den Röntgenbildern aus Moskau, um zu vergleichen. Ich habe sie nicht.
    Vor der Untersuchung musste ich viel trinken. Zum Glück verfüge ich über die Erfahrungen von zwei Operationen und weiß, wozu das nötig ist. Die Menge hielt meine Blase dennoch nicht aus.
    Wie ich höre, kennt Professor Taenzer Prof. Wolff und Prof. Althaus aus der Charité gut. Sie hatten mich damals behandelt.
    Ich höre im Rundfunk die gute Nachricht, dass das Parlament in Chile Margot den Aufenthalt bewilligt hat.
    Ich denke oft an Margot, an Robi 23 und meine Lieben.

4. August
    Das Leben geht seinen Gang. Ich lese jetzt viel und höre Rundfunk. Die Welt ist verrückt – und Russlands Staatsbank bewegt Rubel, pro Monat etwa 250 Milliarden. Jelzin besorgt den Ausverkauf. Ich muss den Säufer nicht mehr fürchten – im Unterschied zu den Russen.

 
5. August
    Meine Anwälte informieren mich, dass es morgen einen Haftprüfungstermin im Saal 500 geben werde. Sie und auch die 27. Strafkammer haben ihn beantragt. Die Mediziner sollten sagen, ob ich haft-, vernehmungs- und verhandlungsfähig sei.
    Ich weiß, dass dies den Regeln des »Rechtsstaats« entspricht. Die Frage aber ist doch eine ganz andere: Ist der Prozess, den man mir und den anderen Mitgliedern des Politbüros machen will, überhaupt zulässig, also rechtens? Vorgestern hat Augstein im
Spiegel
erklärt: »Der Haftbefehl gegen Honecker hätte gar nicht erst erlassen werden dürfen.«
    Inzwischen gehen Briefe und Telegramme aus Berlin und ganz Deutschland ein. Ich bekomme Post aus Frankreich, Griechenland, Norwegen, Schweden, Dänemark, aus den Niederlanden, England, Spanien, selbst aus den USA. Sie zeigt, dass die DDR nicht vergessen ist. Die Solidarität ist groß. Am meisten aber freue ich mich über den Brief aus Israel, den mir Dr. Wolff übergab. Geschrieben hat ihn Sarah Fodorová, die ich 1935 laut
Stern
an die Gestapo verraten haben soll. 24 Den Brief hat er von einem Berliner bekommen, der in Israel zu Besuch war. Dieser traf dort Sarah Fodorová, die unter dem Namen »Wiener« in Tel Aviv lebt und aus der Presse von meinem Schicksal erfahren hat. Auch von diesen Anschuldigungen, dass ich sie damals in Moabit angeblich ans Messer geliefert habe. Ich bezweifle, dass jene Zeitungen ihren Brief drucken werden, die mich als »Verräter« an den Pranger stellten. Es ist doch klar: kein positives Wort zu diesem Verbrecher!
    Sarah war damals standhaft und mutig. Sie ist es auch jetzt. Ich versuche mich an sie zu erinnern, wie sie damals aussah, und stelle mir vor, wie sie heute – mehr als 50 Jahre nach unserem Prozess vorm »Volksgerichtshof« – aussehen könnte.

6. August
    Der Haftprüfungstermin findet in nicht öffentlicher Sitzung statt. Daran nehmen auch meine Anwälte Becker und Wolff teil, Ziegler ist noch bis zur nächsten Woche im Urlaub. Die beiden sind klasse.
    Der Vorsitzende Bräutigam stimmt drei Offizialverteidigern zu, d. h. meine drei Anwälte werden zum Verfahren zugelassen. Eine Beschränkung, so fürchtete wohl der Richter, hätte ihm als kleinlich ausgelegt und als Indiz gewertet werden können, dass es sich um ein politisches und nicht um ein rechtsstaatliches Verfahren handelte. Diesen Eindruck will er unbedingt vermeiden.
    Prof. Volkmar Schneider vom Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin war mit dem Gutachten beauftragt worden. Er trägt mündlich vor, dass ich zweifelsfrei haft- und
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