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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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schnell«, und dann küsste der Junge sie und sagte: »D-d-darf ich dich heiraten?«, und Teresa antwortete: »Ja, Henry, aber mach schnell«, und dann verabschiedeten sie sich und versprachen einander, sich am nächsten Tag wieder zu treffen. Aber sie taten es nur im Flüsterton, denn es laut zu sagen hätte bedeuten können, dass es vielleicht nicht wahr wurde.
    An allen Wochentagen außer Dienstag, Donnerstag und Samstag würdigte Teresa den Jungen keines Blickes.
    »Stell die Blumen in einen Kübel und dann verzieh dich«, sagte sie. »Ich habe viel zu tun.«
    »Aber mein L-l-liebling …«, begann Henry.
    »Ich bin nicht dein Liebling«, unterbrach ihn Teresa. »Ich kann nicht zur gleichen Zeit der Lehrling des Alchemisten Blüstav und dein Liebling sein. Dafür gibt es einfach nicht genug Tage in der Woche.«
    »Aber unsere H-h-hochzeit …«, setzte Henry an.
    »Die Hochzeit findet nicht statt!«, sagte Teresa. »Ich hab es mir anders überlegt. Ich kann keine Ehefrau werden, ich werde Alchemistin.«
    Und Alchemisten, so hatte Henry während der vergangenen Monate immer wieder festgestellt, änderten ständig etwas. Vor allem ihre Meinung.
    »Ich komme morgen wieder«, erklärte Henry.
    »Das wird auch nichts bringen«, sagte Teresa und machte die Tür zu. »Ich habe mich entschieden.«
    Aber am nächsten Abend saß Teresa wieder mit Henry Peppercorn unter dem Fleckchen Sternenhimmel und war bis über beide Ohren verliebt. So ging es hin und her: einen Tag verliebt, einen nicht – nur der Sonntag bildete eine Ausnahme, denn da saßen beide in der Kirche und warfen sich verstohlene Blicke zu, während Pater Gumpfrey über alle Heiligen schwadronierte.
    Viele Monate lang ging das so. Und wäre es ewig so weitergegangen, so wäre Lettie Peppercorn nie geboren worden. Aber zu Letties Glück ließ Henry Peppercorn sich eines Tages einen Plan einfallen.
    Eines Dienstags, als sie Arm in Arm durch die trostlose Dunkelheit spazierten, auf der Suche nach einem Fleckchen Sternenhimmel, unter den sie sich setzen konnten, entdeckten Teresa und Henry plötzlich ein Schachbrett.
    »M-m-möchtest du eine Partie spielen?«, fragte Henry.
    »Das ist ja mal was ganz anderes«, erwiderte Teresa. »Normalerweise fragst du, ob du mich küssen darfst.«
    Sie setzten sich ans Schachbrett, einander gegenüber.
    »W-w-wie wär’s mit einer Wette?«, fragte Henry.
    »Worauf wetten wir?«
    »Auf eine Frage«, sagte Henry und gab sich alle Mühe, nicht zu stottern. »Und die lautet: W-w-willst du mich heiraten? Wenn ich gewinne, gilt deine Antwort für immer und ewig, und du darfst deine M-m-meinung nie wieder ändern.«
    »Und wenn ich gewinne?«, fragte Teresa, die dies für sehr viel wahrscheinlicher hielt, da sie wesentlich mehr Glück hatte und wesentlich schlauer war als Henry.
    »Dann f-f-frage ich dich nie wieder.« Henry schluckte trocken. »Und f-f-fahre morgen früh mit dem n-n-nächsten Schiff nach B-b-bohemien ab.«
    »Das würde mein Leben in der Tat erheblich leichter machen. Dann hätte ich jeden Dienstag-, Donnerstag- und Samstagabend Zeit für meine Studien«, sagte Teresa, klang aber alles andere als überzeugt.
    Und so begannen sie zu spielen, Teresa mit den schwarzen Figuren, Henry mit den weißen. Henry erwischte einen schlechten Start. Er hatte im Spiel noch nie ein besonders gutes Händchen gehabt, schon gar nicht beim Schach. Bevor er wusste, wie ihm geschah, war er schon alle Figuren los bis auf seinen König und zwei Springer.
    Da sah sich Teresa ihren Gegner genau an, seine Fliege und die verwelkenden Blumen in seiner Hand. Ihr wurde klar, dass sie gar nicht gewinnen wollte. Nicht wenn dies bedeutete, dass sie ihren lieben Henry nie wiedersehen würde. Kaum hatte sie dies begriffen, begannen ihre Figuren umzukippen wie gefällte Bäume, und all ihre Bedenken kippten mit, und je mehr sie verlor, desto glücklicher wurde sie.
    »Schachmatt!«, sagte Henry. »Willst du mich heiraten?«
    »Ja, aber mach schnell!«, sagte Teresa lachend.
    Dann rannten sie zur Kirche in der Kirchengasse, klopften Pater Gumpfrey aus dem Bett und wurden um zwei Uhr morgens getraut.
    Bei Sonnenaufgang ging Teresa wie immer zu Meister Blüstavs Laboratorium. Aber als er zu einer Lektion in Alchemie ansetzte, schaute sie nur seufzend aus dem Fenster. Dann zeigte sie ihm ihren Ring und sagte: »Ich kann nicht dein Lehrling bleiben, Meister. Ich bin jetzt Mrs Peppercorn. Ich kündige!«
    Meister Blüstav war alles andere als erfreut.
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