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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern
Autoren: Knut Diers
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nicht mehr als hundert Meter über dem Meeresspiegel liegt. Das bedeutet übersetzt: Sie verkörpert so eine Art spiegelbildliches Leben zur Hausmaus.
    Die Forscher sind deshalb so angetan von dem scheuen Tier, weil es eine von nur drei Säugetierarten auf allen Mittelmeerinseln ist, die die Ankunft des Menschen vor rund elftausend Jahren überlebt haben. Alle anderen Arten des Altertums sind langsam, aber sicher in die Enge getrieben worden, sei es durch Besiedlung, durch Ackerbau oder durch Waldrodung. Bald war der Lebensraum zerstört, waren die Nahrungsgrundlagen verloren. Thomas Cucchi preist deshalb seine Maus mit den honorigen Worten: »Sie ist ein lebendes Fossil!«
    Fast scheint es so, als hätte der aus Frankreich stammende Archäologe, Zoologe und Historiker eine noch lebende Variante eines Dinosauriers im Wald von Zypern entdeckt. Ganz so ist es nun nicht, doch der in Schottland lehrende Franzose ist sich des Beifalls zumindest in der Fachwelt sicher. Nur winkten seine Kollegen ab, als Thomas Cucchi »seine« Entdeckung »Mus Aphrodite« nennen wollte. Die »Schaumgeborene« ist auf der Insel allgegenwärtig, aber als Namenspatin für den letzten graufelligen Vierbeiner aus dem Unterholz dann wohl doch nicht so passend. Jedenfalls rückte der Franzose bald von seinem Vorschlag ab, gab ihr aber auch nicht seinen eigenen Namen. Mus cypriacus ist in Europa etwas ganz Besonderes, denn neue Arten werden fast täglich in Südostasien an den Hotspots der Artenvielfalt aufgestöbert, in Europa schien man aber seit einem Jahrhundert vor solchen Überraschungen sicher zu sein. Cucchi sei Dank, dass es anders ist. Neue Fragen tun sich auf: Wie konnte sie überleben? Wie viele ihrer Art leben auf Zypern? Wird sie durch irgendetwas bedroht? Muss man sich also Sorgen um sie machen?
    Nein, sie steht schon auf der Roten Liste bedrohter Arten. Sie ist widerstandsfähig. Sie kennt sich dank ihrer mehr als elftausend Jahre geschulten Ortskenntnis auf Zypern bestens in jedem Winkel aus. Das muss genügen. Was hätte sie nicht alles zu erzählen. Ach, wenn sie doch nur reden könnte.
    Zypern ist aber auch von anderen eindrucksvollen Tieren besiedelt. Wer gern Fledermäuse in der Dämmerung bei ihren eckigen Flugmanövern beobachtet, hat hier gute Chancen – zehn Arten von den fliegenden Säugetieren leben auf der Insel. Und es gibt nur sechzehn Säugetierarten insgesamt auf Zypern. Die anderen – neben der Zypern-Maus – sind: Ratten, eine weitere Mausart, Rotfuchs, Hase und das zypriotische Wildschaf, auch Mufflon genannt. Ähnlich selten wie die Zypern-Maus zeigt sich das Mufflon. Es versteckt sich im Westen des Troodos-Gebirges, kann klettern wie ein Steinbock und ist flink wie ein Wiesel. Von nur zwanzig Exemplaren vor rund hundert Jahren hat sich die Population auf etwa achthundert Tiere entwickelt. Folgerichtig ist es auf gleich drei Euromünzen gewürdigt worden: Das Zypern-Mufflon hat es immerhin auf die Ein-, Zwei- und Fünf-Cent-Münze geschafft.
    Zu den sichtbaren Repräsentanten der einheimischen Fauna zählt der Schleuderschwanz. Er ist ein kleiner Drache, jedenfalls nach seinem Äußeren zu schließen. Die Echse liebt die Wärme über alles, weshalb man sie auf warmen, dunklen Steinen leicht antrifft. Biologen schreiben über sie: Luft- und Bodentemperaturen von sechzig Grad werden toleriert. Der dreißig bis achtunddreißig Zentimeter lange Hardun, wie das schuppige, robuste Tier in der Fachwelt heißt, besteht zu zwei Dritteln aus Schwanz. Während der ruhig am Boden liegt, ist das Vorderende des Reptils oft in Bewegung – es nickt mit dem Kopf, als wollte es allem zustimmen. Da es nicht so scheu ist wie viele andere Tiere, lässt es sich gut fotografieren. Dann reckt es den Kopf noch höher, wie eine Diva, um in gutem Licht zu erscheinen. Es könnte ein Fall von Selbstverliebtheit sein, doch muss sich der Schleuderschwanz stets in Acht nehmen vor Hauskatzen und großen Nattern. Bei denen steht er auf der Beuteliste. Wird der Hardun festgehalten, zeigt er sich durchaus rebellisch, kratzt und beißt kräftig zu.
    Ganz zart und hilflos wirken dagegen die kleinen Meeresschildkröten, wenn sie an der Westküste aus ihren Eiern geschlüpft sind. Das ist zumeist Ende Juli der Fall. Hunderte der nur wenige Zentimeter langen Schildkröten ziehen zielsicher in der Nacht zum Meer. Füchse, Krähen und Habichte lauern schon. 1976 hat deshalb die Fischereibehörde Zyperns ein beispielhaftes Schutzprogramm für die
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