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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern
Autoren: Knut Diers
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brach vielerorts zusammen. Halb Zypern hatte keinen Strom mehr, weil gleich neben der Marinebasis am einst schönen Governor’s Beach der größte Stromlieferant der Insel steht. Vasilikos, so heißt das sechshundertvierzig Megawatt starke Öl- und Gaskraftwerk, war außer Funktion gesetzt. Schätzungsweise zweitausend Tonnen Schießpulver waren direkt nebenan explodiert. Die Meerwasserentsalzung fiel wegen Strommangels ebenfalls aus. Der Flughafen konnte nicht mehr arbeiten. »Es war auch für uns ein Tiefpunkt«, erinnert sich der Fischer, der sich in den nächsten Wochen große Sorgen um die Qualität seiner gefangenen Fische machte. Waren die verseucht? Konnte man die essen? Es gebe keinerlei gesundheitliche Risiken, gab der zuständige Minister eine Woche nach der Katastrophe öffentlich zu Protokoll. Von umfangreichen Untersuchungen der Böden, des Wassers oder der Fische im Meer wurde allerdings nichts bekannt.
    Nikolaos brachte einige seiner Rotbarben zu einem Freund nach Limassol, der sie untersuchte. Auch der stellte nichts fest. Aber wonach soll man auch suchen, wenn die möglichen Gifte der Explosivstoffe als Militärgeheimnis behandelt werden? So fährt der Mann mit seiner Geliebten weiter hinaus in die ewigen Fanggründe und fischt in den Gewässern der Levante bei Mondschein.
    Nikolaos hat heute eine Menge Rotbarben gefangen. »Ein halber Poseidon-Tag, würde ich jetzt sagen«, meint er und blickt auf die zappelnden Fische in seinem hellblauen Boot.
    Die ersten Sonnenstrahlen kündigen sich an. Der Hafen füllt sich mit den Booten der Kollegen. Bevor Nikolaos festmacht, schwärmt er von »Athlitikos Podosfarikos Omilose Ellinon Lefkosias«. Nein, das sei keine Tiefkühlkette, die ihm den Fisch abkaufe, winkt er lachend ab. »Das sind unsere Helden der Champions League«, kündigt sich eine Erklärung an, die den ganzen Stolz auf die Fußballspieler des Hauptstadtclubs ahnen lässt. Sie haben 2012 als erster Verein Zyperns überhaupt das Viertelfinale der Königsklasse dieser Sportart in Europa erreicht. Der »Schrecken der Champions League« warf durch seine Spielweise sogar renommierte Vereine wie Olympique Lyon aus dem Rennen. »Dann Real Madrid zu unterliegen«, triumphiert Nikolaos, »das ist doch wohl keine Schande!« Bevor er noch ein paar Spielzüge der ersten Halbzeit, bei der APOEL Nikosia ein Null zu Null gegen den spanischen Fußballgiganten halten konnte, erläutert, schmiegt sich »Vesta« bereits an den Kai. Der Eifrige springt an Land und vertäut seine Liebe. Der Tag kann beginnen!

Das lebende Fossil
Die Zypern-Maus ist die wahre Ureinwohnerin – und wurde erst 2004 entdeckt
    Eine Maus ist die Ureinwohnerin Zyperns – die Zypern-Maus. Lange bevor sich die ersten Menschen auf der Insel niederließen, wohnte dort dieser große Vierbeiner. Keine Angst, so groß ist das scheue Tier auch nicht, doch etwas länger als eine mitteleuropäische Maus ist sie schon. Vor allem hat Mus cypriacus, wie sie offiziell heißt, längere Ohren, größere Augen und Zähne. Das erinnert ein wenig an das Grimm’sche Märchen vom Rotkäppchen, eine der bekanntesten Erzählungen Europas. Das junge Mädchen fragt darin den als Großmutter verkleideten Wolf im Bett: »Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren?« Und danach: »Ei, Großmutter, was hast du für große Augen?« Schließlich: »Ei, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul?« Doch wie gesagt: Sie tut einem nichts, die Zypern-Maus!
    Entdeckt hat sie ein Wissenschaftler aus dem Norden Englands, und zwar erst vor wenigen Jahren. Thomas Cucchi streifte im Sommer 2004 durch die Weinberge des Troodos-Gebirges, und da plötzlich kauerte sie vor ihm. Nun ist leider nicht überliefert, ob er sie betäubte und mitnahm, ob er Fotos schoss oder Käse auslegte und die Nacht abwartete, um weitere Artgenossinnen zu erblicken. Doch der junge Forscher der Universität Durham kann sich in seine Biografie schreiben: neue Maus entdeckt. Das ist inzwischen durch vielerlei genetische Vergleiche einwandfrei belegt: Sie bildet eine eigene Art.
    Schon schwärmten Cucchi und seine Kollegen mit Mausefallen in den Händen aus. Zwischen dreihundert bis neunhundert Metern Höhe im Gebirge wurden sie fündig: Nach ein paar Tagen saß eine Zypern-Maus im Käfig. Bisher ist so viel klar: Sie liebt die Abgeschiedenheit. Sie mag die Nähe zum Menschen nicht. Sie verkriecht sich lieber in bewaldeten Flusstälern. Sie hasst das Tiefland, erst recht, wenn es
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