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Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern
Autoren: Knut Diers
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hier eine Wassermühle, deren Reste noch als kleines Museum und als Herberge für Grillabende dienen. Der emsige Schauspieler Pámbos, dessen Großvater die Mühle betrieb, sitzt an der Kasse und erzählt den Ankömmlingen lustige Geschichten. Viele kämen, wie Pámbos weiß, um durchs Baden in Adonis’ Wasser besondere Potenz zu erlangen. Wahlweise sprießen bei Glatzenträgern auch die Haare wieder. Bei Frauen führt das Bad zu ungeahnter Fruchtbarkeit. Sicherheitshalber kommen manche in Vollmondnächten. Wenn sie dann noch die weiße Adonis-Statue an der richtigen Stelle küssen, scheint der Kinderwunsch fast augenblicklich in Erfüllung zu gehen.
    Wie ernst es einigen Gästen mit diesem Zauber zu sein scheint, lässt sich nachts auf dem Parkplatz vor dem Eingang beobachten. Jedenfalls erzählen Einheimische vom bunten Treiben der Liebespaare. Von hier sind es nur ein paar Hundert Meter bis zu einer kolossalen Aphrodite-Nachbildung, die in den Himmel ragt. Die Frau in Weiß deckt mit einer Hand ihre Brustspitzen ab. Mit der anderen fasst sie sich in den Schritt. Links vor dem Eingang hält ein Gott die Hand auf. Darin findet eine beflügelte Göttin Halt auf einer Kugel unter ihren Füßen. Innen endlich steht dann das zypriotische Liebespaar schlechthin – Aphrodite und Adonis kurz vor einem innigen Kuss.
    Adonis, der seine Schönheit hüllenlos präsentiert, steht aufrecht und wendet sein Haupt leicht nach links. Aphrodite, etwas kleiner gewachsen, steht barbusig neben ihm und hat ihre linke Hand an seine rechte Wange gelegt. Ihr Kopf neigt sich nach rechts. Ihre Blicke spiegeln schmachtendes Verlangen. Nur ein paar Zentimeter noch sind ihre Lippen von denen des Geliebten entfernt. Ihren Liebesgürtel, eine Art Berufskleidung, hat sie heute nicht dabei, wohl aber einen wallenden Stoffumhang, der schon sehr weit zu Boden gegangen ist. Ein dicker Knoten, der sich gerade vor ihrem Schambereich befindet, soll den letzten Fall verhindern.
    Unten springen Kinder von einem Baumstamm in den Naturpool. Andere schwingen am Seil, das von den Ästen herabhängt. Mutige lassen sich von einem Felsvorsprung in etwa zwölf Metern Höhe ins Wasser fallen. Links von den Treppen, die zum Wasser hinabführen, hat Pámbos eine Holzterrasse um einen Baum gezimmert. Hier picknicken die Gäste und lassen sich vom Kult des Adonis berauschen. Der soll hier die schönsten und schnellsten Rosse der Antike gezüchtet haben. Doch seine Liebe zu Aphrodite, die viele Kinder zur Welt brachte, war nicht ungetrübt. Die Göttin der Jagd, Artemis, war eifersüchtig und warf eine Mandel ins Becken unter diesem Wasserfall. Das Glitzerteil in der Tiefe funkelte in der Sonne, und Adonis sollte davon angelockt werden, sodass er beim Abtauchen ertrinke. Wie das bei Göttern so ist, hatte Poseidon, der Gott des Meeres, sofort Artemis’ listige Tat erkannt. Gerade rechtzeitig – Adonis war schon im Sprung wie jetzt die Kinder vom Baumstamm – ließ Poseidon durch ein Rinnsal die Strahlen der goldenen Mandel brechen. So hatte Adonis noch einmal Glück gehabt.
    Natürlich war das Ränkespiel damit nicht beendet, denn Artemis ließ keine Ruhe und bat ihren Kollegen Ares, den Kriegsgott, oben am Wasserfall einen Felsen zu lösen. Der sollte Adonis, der unten friedlich seine Schwimmübungen zum Erhalt des vorbildlichen Körpers absolvierte, dann erschlagen. Poseidon erwies sich einmal mehr als echter Helfer in der Not, denn er fing den fallenden Stein ab, bevor er Unheil anrichten konnte. Ares platzte der Kragen und er verwandelte sich in einen wilden Eber, wie schon zuvor erwähnt. So fand Adonis seinen Tod bei der Jagd auf der Halbinsel Akámas, als das Wildschwein ihm zu nahe kam. Der tote Jüngling zog zwangsläufig in die Unterwelt ein zu seiner Teilzeitgeliebten Persephone, die schon sehnsüchtig wartete.
    Pámbos kann diese Geschichten nicht nur nachspielen, denn er ist schon in viele Rollen geschlüpft in seinem Leben, sondern auch an die Wünsche der Gäste anpassen. Nach und nach will der Adonis-Bad-Besitzer das Kollegium der olympischen Götter in überlebensgroßen Nachbildungen in die Landschaft stellen. Satyr, der lüsterne Gegenspieler der Nymphen, leuchtet schon in Weiß oberhalb der Wasserfälle.
    Noch schöner leuchtet das Adonisröschen. Es entspross den Tränen der Aphrodite, die den (vorübergehenden) Tod ihres Geliebten beweinte. Das Teufelsauge, wie es manche auch nennen, erinnert nicht nur an seine Auferstehung, wenn er aus der
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