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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom
Autoren: Klaus Brill
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von Rom sowie die Generaloberen und Bevollmächtigten der Orden, die der Päpstlichen Kapelle angehören.
    Dies ist die Lebenswelt des Vatikans, und wenn der Papst einen Diplomaten empfängt, dann geschieht dies nach festem Zeremoniell. Ein Attaché des päpstlichen Vorzimmers und zwei Kammerherren Seiner Heiligkeit holen den Gast ab, im Sankt-Damasus-Hof erweist die Schweizergarde ihm die Ehre. Am Fahrstuhl wartet ein weiterer Kammerherr, auf dem Papstflur in der zweiten Loggia stehen weitere Attachés sowie die Sediari , die einstigen Träger des päpstlichen Tragesessels, die nach dessen Außerdienststellung andere Aufgaben haben. In der Sala Clementina empfängt der Prälat des Päpstlichen Vorzimmers den Besucher, um ihn in die Privatbibliothek zum Papst zu führen. Für Staatsbesucher ist das Protokoll noch ausladender, es stehen dann zur Begrüßung auch der Präfekt des Päpstlichen Hauses, der Sonderbeauftragte der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt und der Kommandant der Schweizergarde bereit, ferner der Päpstliche Almosenverwalter und der Thronassistent, der ein römischer Fürst ist.
    Feiert der Papst aus besonderem Anlass eine Messe, dann gibt Monsignore Piero Marini, der Meister der Päpstlichen Liturgischen Feiern, dafür Anweisungen zur Kleiderordnung aus. Das Gewand richtet sich nach dem Rang, denn der Vatikan ist in straffer Hierarchie verfasst. Die dreizehnhundert Priester sind die herrschende Kaste, sie steigen nach fünf Jahren vom Don zum Monsignore auf, nach weiteren zehn Jahren zum Ehrenprälaten Seiner Heiligkeit, danach zum Apostolischen Protonotar oder zum Bischof, Erzbischof und Kardinal. Kardinäle redet man als Eminenzen an, Bischöfe als Exzellenzen, den Papst als Seine Heiligkeit.
    Der Vatikan ist eine höfische Gesellschaft, eine absolutistische, religiöse Monarchie, in welcher der Papst gleichzeitig Präsident, Regierungschef, Parlament und Oberstes Gericht ist und alle wichtigen Personalentscheidungen trifft. Die Kurie ist sein Instrument zur Leitung der Kirche, zergliedert nach sogenannten Dikasterien. Dies sind das Staatssekretariat als zentrale Stabsstelle, die drei Gerichtshöfe, drei sogenannte Büros sowie die neun Kongregationen und elf Päpstlichen Räte. Es gibt unter anderem Kongregationen für Glaubensdoktrin, für Bischöfe, Klerus, Orden, Gottesdienst und Heiligsprechung. Päpstliche Räte sind unter anderem befasst mit den Laien, den Familien, den Medien, dem Dialog der Religionen oder der Krankenseelsorge.
    Nur die wenigsten dieser Behörden sind in der Vatikanstadt ansässig, denn die ist zu klein dafür. Sie residieren vielmehr in extraterritorialen Gebäuden in Rom, großenteils in unmittelbarer Nähe. Mit Ministerien lassen sich die vatikanischen Ressorts nur bedingt vergleichen. An ihrer Spitze stehen Kardinäle oder Erzbischöfe, sie präsidieren einem mehr oder minder großen Kollegium von anderen Kardinälen und Bischöfen aus aller Welt, die einmal jährlich Vollversammlung halten. Auch die Bediensteten kommen aus aller Welt, man arbeitet in mehreren Sprachen, wiewohl die Italiener noch immer das stärkste Kontingent stellen und italienisch noch immer die Umgangssprache der Kirchenelite ist.
    Höchst altertümlich sind die Dienstbezeichnungen. Da gibt es unter den Abteilungsleitern Leute, die als minutante (Schreibkraft), aiutante di studio (Kanzleigehilfe), oder adetto di segreteria (Sekretariatsangestellter) erster und zweiter Klasse tituliert werden; in Wahrheit sind sie Akademiker und würden anderswo als Ministerialräte und Referenten angesprochen. Auch technische Angestellte und scrittori (Schreiber) sind in eine erste und eine zweite Klasse unterteilt.
    Alle führenden Funktionen und auch viele normale Beamtenstellen sind mit Geistlichen besetzt, insofern ist der Vatikan ein Priesterstaat. Einige Laien sind indes inzwischen bis zur Ebene der Untersekretäre aufgestiegen, was etwa dem Rang eines Staatssekretärs in Deutschland entspricht. Priester sind speziell ausgebildet und dem Papst besondere Treue und Gehorsam schuldig, ihre Ehelosigkeit macht sie verfügbar, erst mit siebzig Jahren gehen sie in Pension, und Überstunden bekommen sie nicht bezahlt. »Das ist die Schlagkraft der Kirche«, sagt ein Geistlicher.
    Geld darf keine Rolle spielen. Vatikanbeschäf-tigte verdienen zwischen etwa achthundert und eintausendzweihundertfünfzig Euro im Monat, Steuern sind davon nicht zu zahlen, wohl aber Renten- und Krankenkassenbeiträge
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