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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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Stellen. Wir können unsere Männer aber selber bezahlen und möchten die Mittel für diese zwei unbesetzten Stellen an die Miliz weitergeben. Das sind keine großen Summen, doch Sie finden Ihr Geld ja auch nicht auf der Straße. Wir überweisen es Ihrer Dienststelle, und Sie entscheiden selbst, was Sie damit anfangen.«
    »Verlegen sie sich jetzt auf Wohltätigkeit?« Sawtschenko lachte.
    »Keine Sorge«, Amalia Petrownas weiche, aber kalte Finger nahmen Sawtschenkos Hand, »unsere Forschungen laufen streng nach Recht und Gesetz. Ich achte Sie viel zu sehr, um Ihnen ein zweideutiges Angebot zu machen. Unsere Präparate könnten allerdings eine Umwälzung in der Medizin bedeuten. Sie werden unheilbar Kranke retten und tun das bereits …«
    Sawtschenko gab schließlich schweren Herzens seine Einwilligung, wenn er auch nicht genau wußte, wozu.
    Je länger er jedoch das Krankenhaus beobachtete, desto mehr tat ihm seine Gutherzigkeit leid. Ihm gefiel das alles nicht: der Stacheldraht und die Glasscherben auf der Mauer, die das Krankenhaus umgab, die Verbrechervisagen der Wachmänner, die ausländischen Wagen, die dort ein und aus fuhren. Sein Gefühl sagte ihm: Etwas war nicht in Ordnungmit dem kleinen Krankenhaus von Lesnogorsk, etwas Unrechtes ging dort vor. Auch Amalia Petrowna wurde ihm immer unheimlicher, seit sie einen nagelneuen Toyota fuhr und sich eine schicke Dreizimmerwohnung gekauft hatte.
    Einmal versuchte er, über seine Zweifel mit dem Chefarzt des Krankenhauses, dem greisen, stets etwas verängstigt wirkenden Jakow Syslin zu sprechen.
    »Aber, aber, Hauptmann Sawtschenko«, Syslin gestikulierte heftig mit seinen dünnen Ärmchen, »auf der Gynäkologie ruht unser ganzes Krankenhaus. Amalia Petrowna ist unsere Ernährerin. Wir sind doch von Haushaltsmitteln abhängig. Davon kann ich kaum die Gehälter bezahlen. Dieses Forschungsprojekt hat uns Geld und die modernste Technik gebracht. Stellen Sie sich vor, als es anfing, hat ein hoher Beamter aus dem Gesundheitsministerium mir persönlich einen Besuch abgestattet …«
    Syslins Versicherungen waren für den Milizchef jedoch ein schwacher Trost.
    Die versprochenen zwei Gehälter gingen mit lobenswerter Pünktlichkeit jeden Monat auf dem Bankkonto der Lesnogorsker Miliz ein.
    Zwei Jahre lang war alles ruhig. Wenn der Hauptmann Amalia Petrowna auf der Straße traf, grüßte die stets freundlich, erkundigte sich ausführlich, wie es Mascha und dem kleinen Wanja gehe. Über andere Themen sprach sie mit Sawtschenko nicht.
    Und nun diese Anzeige …
     
    Amalia Petrowna öffnete selbst. Sawtschenko betrat zum ersten Mal ihre Wohnung. Alles hier atmete peinliche Sauberkeit und Wohlstand.
    »Treten Sie ein, Hauptmann Sawtschenko, nett, Sie zu sehen.« Mit einem dünnen Lächeln auf ihren exakt geschminkten Lippen führte Amalia Petrowna ihn ins Wohnzimmer, wo er in einem tiefen Ledersessel Platz nahm. Sawtschenko wollte schon die Schuhe ausziehen, um den hellen, flauschigenTeppich nicht zu beschmutzen, aber das ließ Amalia Petrowna nicht zu. »Bitte keine Umstände. Entspannen Sie sich. Und ich mach’ uns erst mal einen Kaffee.«
    Einige Minuten später setzte sie ein Tablett mit einem silberglänzenden Kännchen, zwei zarten Porzellantäßchen und einem Teller Gebäck auf dem Couchtisch ab. Sie goß Sawtschenko ein und schob ihm eine noch verschlossene Packung »Camel« nebst Aschenbecher zu.
    »Also, worum geht’s?«
    Der Hauptmann zog aus der Tasche seiner Uniformjacke die doppelt zusammengefalteten, handgeschriebenen Seiten und reichte sie Amalia Petrowna.
    Während sie las, rauchte Sawtschenko und beobachtete ihr Mienenspiel. Das gepflegte, sorgfältig geschminkte Gesicht zeigte keinerlei Regung. Als sie fertig war, legte sie die Blätter akkurat zusammen und gab sie Sawtschenko zurück.
    »Es war also die 26., nicht die 24. Woche«, murmelte sie vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Der alte Gauner!«
    Sawtschenko zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    »Verzeihung, wovon sprechen Sie?«
    »Wie? Ach, das tut nichts zur Sache. Ich habe nur laut gedacht … Und was gedenken Sie jetzt zu tun?«
    Der Blick ihrer eiskalten Augen traf den Hauptmann irgendwo am Kinn, und Sawtschenko fürchtete, er könnte in seiner Haut zwei blutende Scharten hinterlassen.
    »Ich wollte erst einmal Sie hören, Amalia Petrowna«, antwortete er und nahm einen Schluck Kaffee.
    »Wieso mich hören? Die Behörde sind Sie. Sie müssen entscheiden. Aber wenn Sie mich fragen: Das hat
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