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Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche
Autoren: Sigrid Ramge
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etwas spöttisch und von oben herab.
    Damit gab er zu verstehen, dass er jetzt das Thema beenden und sich lieber seiner Lieblingsbeschäftigung, nämlich Rostbraten essen, widmen wollte.
    Als jeder mit schwäbischen Leckerbissen versorgt war, trat gefräßige Stille ein. Eine weitere Unterhaltung war sowieso nicht möglich, weil die Schurwaldmusikanten einen Zahn zulegten. In den kurzen Pausen hörte man Nutellas auf- und abschwellendes Bettelgefiepe, das häppchenweise mit Roten Würsten und Maultaschen gestillt wurde. Alle waren so eifrig mit Essen beschäftigt, dass niemand fragte, weshalb Irma unvermittelt aufsprang und weglief.
    Am Rande des Kelterfestes, mitten auf der Straße, gab es eine stürmische Umarmung mit weltentrückten Begrüßungsküssen.
    »Du meine Güte, Leo, wo kommst du denn her?«, stammelte Irma, als sie wieder Luft bekam.
    »Na, woher schon? Von Mallorca natürlich. Bis Stuttgart war das kein Problem, aber da du nicht daheim warst, musste ich fast zwei Stunden umherirren und dich suchen.«
    »Wie hast du mich denn hier gefunden?«
    »Ich bin von deiner Wohnung aus zum Bohnenviertel und wollte Line aufstöbern. Da hing ein Zettel an der Tür:
Bin auf dem Kelterfest in Feuerbach. Dicker Schmatz von Line
.
    Irma lachte. »Die Nachricht war für Moritz bestimmt. Der hat es wohl so eilig gehabt, Line wiederzusehen, dass er den Zettel nicht abgenommen hat.«
    »Ach ja, Line hat ja nun das Kittelchen«, sagte Leo und fing wieder an, Irma zu küssen.
    Als sie sich endlich voneinander lösten, sagte Irma: »Komm, lass uns rübergehen.« Und sie zählte auf, wer noch alles am Tisch saß.
    »Oh nee!«, sagte Leo. »Heute hab ich keine Lust auf Polizisten.«
    »Verstehe. Aber nun bist du einmal hier. Warum hast du mich nicht angerufen? Ich hätte dich am Flugplatz abgeholt.«
    »Ich wollte dich überraschen.«
    »Ist dir gelungen.«
    »Also, dann lass uns zu deinen Kripoleuten gehen«, sagte Leo. »Für die hab ich nämlich auch ’ne Überraschung.«
    Die Reaktionen auf sein plötzliches Auftauchen waren zu Leos Erstaunen äußerst freundlich. Dass ihm seine Schwester Line an den Hals flog und Helene ihm eine besitzergreifende Umarmung schenkte, war zu erwarten gewesen. Doch auch Lines Freund Moritz Kittel schüttelte Leo die Hand wie einem alten Freund. Moritz trug es Leo schon lange nicht mehr nach, dass er von ihm im vorigen Winter k.o. geschlagen worden war. Auch Schmoll und Katz schienen völlig vergessen zu haben, Leo damals des Mordes verdächtigt zu haben. Und Katz stellte Leo stolz und sehr förmlich seine Freundin Ina vor. Ina pfiff wie immer auf Etikette und verpasste Leo rechts und links je einen knallenden Schmatz auf die Wangen.
    Während der allgemeinen Begrüßung hatte Oma Katz Mühe, Nutellas Freudenhopser zu bremsen, mit denen er aus unerfindlichen Gründen um Leo herumsprang. Erst als der Mops Ruhe gab, konnte sie Leo begrüßen. Sie tat es mit aller Würde, wie eine Königin, die auf der Opernbühne ihren siegreichen Feldherrn willkommen heißt.
    Wenig später saß Leo in der Runde und fühlte sich zwischen den Leuten, die ihm einst zutiefst misstraut hatten, wie in einer Familie, die es gut mit ihm meinte. Nachdem er sich auf Schmolls Rat Rostbraten und dazu Lemberger geholt und sich einverleibt hatte, kündigte er der Gesellschaft seine Überraschung an. Doch als nun alle mit gespannter Miene warteten, setzte mit großem Radau die Kapelle wieder ein.
    »Dann werde ich das eben schriftlich machen!«, schrie Leo gegen die Schurwaldmusikanten an.
    Er wurstelte ein gefaltetes, leicht zerknittertes Schriftstück aus seiner hinteren Jeanstasche und überreichte es Schmoll. Der Kripohauptkommissar, so gewieft er auch war, verstand nicht sofort, was diese Quittung der spanischen Polizei über eine Summe von 230 000 Euro zu bedeuten hatte. Aber daran, wie sich Schmolls Augenbrauen synchron mit den Mundwinkeln hoben, war zu erkennen, dass bei ihm der Groschen fiel.
    Weil die Musik keine mündliche Verständigung zuließ, reichte Schmoll das Schreiben an Irma, deren Miene eine ähnliche Mutation von Unverständnis bis zum freudigen Erstaunen durchmachte. Irma gab das Schreiben an Katz weiter, aber der hatte wahrscheinlich schon zu viel Lemberger intus. Er blickte ratlos in die Runde und rieb seine spitze Nase.
    Ina, die mit auf das Blatt geschielt hatte, schrie: »So kapier es doch, mein Katerchen, das ist eine Quittung über den Rest der Beute aus Frau Kurtz’ Bankfiliale! Jemand hat das
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