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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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schien, als sei es im Raum heller geworden.
    Als sie aufstand, hätte ein von Ganzheitseindrücken freier Automat feststellen müssen, daß sie größer und wohl auch etwas schwerer als Mira war. Tatsächlich aber wirkte sie kleiner und zierlicher - wie das zustande kam, wußte niemand, aber es war jedenfalls nicht Rigels Eindruck allein. Es hatte vor Zeiten eine Wette darum gegeben, Gemma hatte sie gewonnen, aber nicht, weil sie sich für wirklich größer und schwerer gehalten hatte, sondern weil sie geglaubt hatte, sie würde Mira eine Freude machen, wenn sie das behauptete.
    Sie blickte also Rigel an und lächelte. »Da bin ich wohl die letzte?« fragte sie und sah sich um. »Wo ist der Kapitän?«
    Rigel half Gemma heraus, hüllte sie in ihren Umhang, nahm sie in die Arme und streichelte sie; dabei erzählte er ihr leise, was geschehen war - so weit er es wußte und so gut er es verstanden hatte.
    Sanft machte sie sich von ihm frei. »Weiß du«, sagte sie mit einem etwas kläglich ausfallenden Lächeln, »weißt du, da wird es jetzt viel Arbeit geben!«
    Dann, als er sie losgelassen hatte, wurden ihre Bewegungen rascher und zielstrebiger. Rigel aber hatte das unklare Gefühl, nicht er habe sie, sondern sie ihn getröstet.
    Minuten später saßen sie zum ersten Mal seit ihrem Start von Bord der ALDEBARAN beieinander.
    »Ich will mal zusammenfassen, was wir jetzt im Augenblick wissen und was wir als nächstes tun müssen«, begann Toliman und übernahm damit ohne Deklaration, aber für alle verständlich, die ihm vom Kapitän zugewiesene Funktion des Kommandanten. »Was wir wissen, ist sehr wenig, und das Wenige ist ziemlich unklar. Was wir tun müssen, ist eine ganze Menge, aber das meiste davon ist zum Glück ziemlich klar. Wir hätten freilich jetzt nach dem Wecken alle unsere Aktivierungsgymnastik nötig, aber dies ist ja wohl so etwas wie eine Alarmsituation, und wir müssen erst noch einiges tun, bevor wir an uns denken können.
    Was wissen wir also? Der KUNDSCHAFTER ist in ein Ereignis hineingeraten, von dem wir nicht einmal ahnen, was es ist. Mira und ich schlagen vor, dieses Ereignis vorläufig Anomalie zu nennen; ein Allerweltswort, das uns unsere Unwissenheit immer bewußt halten wird.
    Die Einwirkung der Anomalie auf den KUNDSCHAFTER war so stark, daß erstens der Kapitän bei der Rettung des Schiffs geschädigt wurde, und zwar unheilbar für unsere medizinischen Möglichkeiten; daß zweitens die Aktivkomponente des Treibstoffs und damit unsere Energiequelle fast vollständig verbraucht wurde; daß drittens aus noch unbekannten Gründen die Außentanks abgesprengt werden mußten. Die Folgen sind klar: Die ALDEBARAN, die nicht so stark geschützt ist wie der kleine KUNDSCHAFTER, würde diese Anomalie nicht unbeschädigt überstehen; wir werden es noch genauer ausrechnen, aber ich glaube, das Mutterschiff würde zerstört. Unsere wichtigste Aufgabe ist also, der ALDEBARAN einen Leitstrahl mit Informationen über diese Anomalie zu senden. Dazu sind nur noch ein paar Vorarbeiten nötig, über die ich gleich sprechen werde; die Energie reicht zum Glück noch dafür. Oder richtiger: nicht zum Glück – der Kapitän hat sie so eingeteilt, daß sie noch reicht.
    Die zweitwichtigste Aufgabe ist, daß wir unser Leben sichern und erhalten, bis die ALDEBARAN hier ist, das wird in zwei, drei Wochen sein. Dazu brauchen wir vor allem Energie. Mit dieser Frage wird sich Rigel befassen. Voraus liegt ein Infrarotstern, er kann zwar nicht viel liefern, aber ein bißchen schon. Und dies und das können wir vielleicht auch einsparen. Ich denke, mit dem Ausbringen der Sonnenkollektoren wirst du etwa zwei Stunden zu tun haben, Rigel. In Ordnung? Gut. Wir andern bereiten die Botschaft an die ALDEBARAN vor. Mira und ich werden weiter das Protokoll durchgehen, damit wir wissen, was wir dem Mutterschiff mitteilen können, und Gemma, du solltest versuchen, die Anomalie zu orten - irgendwo muß sie ja geblieben sein. Mira sagt dir noch, was wir schon wissen über ihre Eigenschaften; sie ist bestimmt nicht leicht zu erkennen. Danach werden wir dann zu den guten Sitten und Gebräuchen zurückkehren.«
    Toliman nickte, drehte sich zu seinem Pult um; Rigel erhob sich, und Mira flüsterte noch ein paar Minuten mit Gemma. Dann wandte sie sich wieder Toliman zu.
    »Machen wir bei x plus vierzig weiter«, schlug Toliman vor. »Der Kapitän setzt eine Boje aus. Warum? Versetz dich mal in seine Lage. Orientierung nach den Sternen ist
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