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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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ich nicht«, sagte Mira provokativ.
    Toliman ging auf ihren Ton ein. »Was glaubst du nicht - daß ich einen Gedanken hatte oder daß er blöde war?«
    »Such dir aus, was die lieber ist«, antwortete Mira.
    Toliman fuhr sich mit der Hand über die Augen, die kurze Entspannung hatte ihm gutgetan. »Mir ist eingefallen, daß irgendwann in diesem Zeitraum der stündliche Leitstrahl der ALDEBARAN fällig war, nehmen wir doch mal die Bordzeit, dann wäre das nach unserer Tabelle.«, er schaltete, »x plus einunddreißig, also noch vor den Bocksprüngen.«
    Mira schaltete ebenfalls. »Die Spur ist leer!« sagte sie, nun schon nicht mehr nur verblüfft, sondern ein wenig besorgt.
    Der Leitstrahl des Mutterschiffs diente nicht nur der Kurskontrolle, sondern war für die Besatzung eines Kundschafterschiffs immer so etwas wie eine Nabelschnur, die sie mit den anderen verband, selbst wenn sie nicht oder nur im Notfall darauf antworten konnten. Es war einfach unvorstellbar, das Gefühl weigerte sich anzuerkennen, daß diese Verbindung abgerissen sein sollte, daß die ALDEBARAN nicht gesendet hatte oder aber die Sendung unterwegs verlorengegangen sein sollte, nicht angekommen, nicht aufgenommen. Moment, da lag vielleicht die Lösung: zwischen nicht angekommen und nicht aufgenommen.. angekommen, ja, aufgenommen, nein. Und warum nicht? Die Violettverschiebung! Auch die Frequenzen von Funksprüchen mußten ja verschoben sein, und die Abstimmung der Antenne war ziemlich genau, ging ja nicht anders bei der Entfernung.
    »Ja, deine Idee war richtig«, sagte Mira. »Es scheint, die Violettverschiebung hat überall die Bandbreite der Rezeptoren überschritten. Das sollten wir am Beispiel des Leitstrahls ziemlich einfach prüfen können. Wir müssen freilich aus dem Unterschied zwischen den voraus und den seitlich gerichteten Messungen extrapolieren, wann und wie stark die Violettverschiebung in rückwärtiger Richtung eingesetzt hat, aber wenn das einigermaßen übereinstimmende Ergebnisse liefert.«
    Zehn Minuten später wußten sie: Es gab Übereinstimmung. Man durfte mit Sicherheit annehmen: Die Sterne waren nicht erloschen, nur die Sensoren konnten ihr Licht nicht mehr registrieren, weil es zu kurzwellig geworden war. Auch der Leitstrahl der ALDEBARAN war nicht aufgenommen worden, weil seine Frequenz für die Antenne zu hoch geworden war. Das ließ sich zwar nun nicht mehr direkt nachweisen, aber sie konnten in ihren weiteren Überlegungen davon ausgehen.
    »Eins noch«, sagte Toliman, »das Kind braucht einen Namen. Wir können schließlich nicht jedesmal, wenn wir davon sprechen, sagen: diese Erscheinung, für die wir keine Erklärung haben - oder so etwas.«
    »Nennen wir es Anomalie«, schlug Mira vor. »Wenn wir nur niemals vergessen, daß das bloß ein Wort ist, das über das Wesen des so bezeichneten Sachverhalts keinerlei Auskunft gibt!«
    »Gut«, sagte Toliman.
    Rigel hatte den mechanischen anstelle des elektrischen Antriebs in den Rasierapparat eingepaßt. Das Gerät war dadurch etwas größer und schwerer, aber nicht unhandlicher geworden, er schäumte alles ein, gab dem Plastschaum die entsprechende Form und härtete ihn mit einem Mikrowellenschock. Dann rasierte er sich.
    Das Merkwürdige war, daß er bei all seinen Basteleien nicht wie andere die Zeit vergaß, er bewahrte sich im Gegenteil ein ziemlich genaues Zeitgefühl. Als er mit dem Rasieren fertig war, konnten es nur noch ein oder zwei Minuten sein, bis seine Gemma aufwachte, und wenn er auch sonst keineswegs eifersüchtig war, im Gegenteil, es freute ihn und schmeichelte ihm, wenn sie von ihrer Fröhlichkeit und guten Laune allen mitteilte - so war er jetzt doch darauf bedacht, daß sie beim Erwachen ihn sah und nicht Toliman mit seinem attraktiven
    Seeräubergesicht. Und er nahm auch ihren Umhang mit - er selbst sah sie freilich gern nackt, aber gar nicht so gern hatte er es, wenn die andern sie so sahen. Obwohl Mira sie beide manchmal deswegen verspottete, hielt Gemma es damit genau wie er, ob aus persönlichem Bedürfnis oder seinetwegen, das wußte er nicht, er hatte sich eine solche Frage noch nicht gestellt, er wäre gar nicht darauf gekommen.
    Selbst wenn Gemma schlief, drückte ihr Gesicht Heiterkeit aus. Es war ruhig und gelöst, und die weizengelben Haare machten es - Rigel hatte kein besseres Wort dafür - einfach sonnig. Und wenn sie wie jetzt wach wurde und die hellgrauen Augen aufschlug, dann wurde das Gesicht mit einem Schlag lustig, und es
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