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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift
Autoren: Greg Iles
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fiel in einen Trott. Jamie rannte neben ihr her. Einen Moment später brachen sie unter den Bäumen hervor in helles Sonnenlicht, das in den kleinen Wellen eines breiten, sauberen Bachs wie Diamanten funkelte.
    »Hey!«, rief eine Männerstimme. »Wir dachten schon, ihr hättet aufgegeben.«
    Alex schirmte die Augen gegen die Sonne ab und folgte dem Verlauf des Baches. Dreißig Meter entfernt saßen Chris und Ben Shepard auf einem umgefallenen Baumstamm vor einem kleinen Lagerfeuer. Der Wind wehte den Duft von gegrilltem Fleisch heran. Jamie stieß einen Freudenruf aus und rannte los. Alex folgte ihm ein wenig langsamer.
    Bis sie das Lagerfeuer erreicht hatte, tollten Ben und Jamie bereits fünfzig Meter weiter unterhalb im Bach auf der Suche nach alten Pfeilspitzen und Dinosaurierknochen. Chris stand auf und umarmte Alex zur Begrüßung.
    »Was ist in dem Ding?«, fragte er grinsend.
    Sie nahm den Deckel ab und zog eine Flasche gekühlten Weißwein hervor. »Mein Beitrag«, sagte sie. »Um die allgemeine Stimmung zu heben.«
    Chris lachte und nahm die Flasche. »Ich hoffe, du hast einen Korkenzieher mitgebracht.«
    Sie lächelte. »Schraubverschluss.«
    Er öffnete die Flasche und füllte zwei Styroporbecher. Sie nahmen mit ein wenig Abstand auf dem Baumstamm Platz und tranken.
    »Wie geht es Ben?«, fragte sie nach einer Weile.
    Chris blickte den Bach entlang zu seinem Adoptivsohn. »Er hat ein paar schlimme Nächte hinter sich. Für den Augenblick schläft er bei mir. Insgesamt hält er sich prächtig.«
    »Das freut mich.«
    Chris blickte sie an. »Ben kannte seine Mutter besser als ich.«
    Alex hatte dies von Anfang an vermutet. »Kinder sehen das, was da ist, nicht das, was wir nach außen hin vorgeben.«
    »Wie geht es Jamie?«
    Sie lächelte. »Viel besser. Ich denke, er vermisst Will Kilmer mehr als seinen eigenen Vater. Will hat ihn immer an seinen Großvater erinnert – meinen Dad.«
    Chris nahm einen Stock und stocherte im Feuer.
    »Wie geht es dir?«, fragte Alex.
    »Körperlich? Oder sonst?«
    »Beides.«
    »Körperlich nicht allzu schlecht. Ich habe noch immer eine Reihe seltsamer Symptome, doch Peter Connolly meint, dass es sich um Reaktionen auf das Gegenmittel handelt. Tarver hat bei einigen Patienten in seiner ›Praxis‹ die gleichen Reaktionen beschrieben.«
    Alex war nicht in sämtliche Einzelheiten von Tarvers Arbeiten eingeweiht worden. Chris war von einem Arzt der U.S. Army behandelt worden. Er hatte ihm Injektionen aus den Ampullen verabreicht, die sich in einem der beiden geborgenen Pelican-Cases befunden hatten. Diese Ampullen waren Chris’ einzige Hoffnung, das krebserzeugende Virus zu neutralisieren, das Tarver ihm injiziert hatte.
    Direktor Roberts hatte Alex wiederholt versichert, dass Tarvers Unterlagen von den besten Virologen im Land eingehend studiert worden waren und dass die Wissenschaftler zuversichtlich seien, dass Chris wieder völlig gesund würde. Roberts hatte leicht reden – er war schließlich nicht derjenige, der infiziert worden war.
    Doch Chris hatte mehr Informationen erhalten als sie und machte einen zuversichtlichen Eindruck, mit der Zeit zu gesunden.
    Alex hob ihren Becher zu einem Toast. Sie stießen an und tranken.
    »Wie geht es sonst?«, fragte Alex.
    »Penn Cage hat mir viel geholfen.«
    »Wie das?«
    »Seine Frau starb an Krebs, als er siebenunddreißig war. Ben und Annie sind gute Freunde geworden. Sie hilft ihm bestimmt sehr, wenn er sich wieder einmal ›Warum gerade ich?‹ fragt.«
    »Ich könnte manchmal auch ein wenig Hilfe bei dieser Frage gebrauchen«, gestand Alex.
    »Ja.« Chris beugte sich vor und füllte ihren Becher nach. »Wie entwickelt sich die Sorgerechtssache?«
    »Jamie bleibt bei mir, daran besteht kein Zweifel. Der Richter hat die Klausel im ursprünglichen Testament für wirksam erklärt. Ich bin Jamies Patentante, und im Testament steht eindeutig, dass ich Jamie aufziehen soll, falls Bill und Grace sterben. Damit wäre der Fall klar.«
    »Hast du noch mal überlegt, wohin du von hier aus gehst?«
    »Der Direktor hat mir angeboten, nach Washington zurückzukehren.«
    »Als Geisel-Unterhändlerin?«
    Alex nickte. »Zurück in meinen alten Job.«
    »Das wolltest du doch, oder?«
    »Das dachte ich zumindest. Aber vor ein paar Tagen habe ich ein anderes Angebot bekommen.«
    Chris kniff die Augen zusammen. »Welches?«
    »Der Chef des FBI-Büros New Orleans hat mich gefragt, ob ich in der gleichen Funktion für ihn arbeiten
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