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Leidenschaft in Rot

Leidenschaft in Rot

Titel: Leidenschaft in Rot
Autoren: John D. MacDonald
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nicht schauspielern müssen. Die Kamera erfaßt einfach, wie gut sie sind. Mann, die sind dauernd am Rumsuchen und Ausprobieren. Der nächste ist immer der größte und beste. Die haben das, was man ein unheimlich starkes Interesse nennt.«
    Ich hatte das Gefühl, diese hier würde Fedder für gut befinden. Ich hatte nicht erwartet, daß sie eine derart jugendliche Ausstrahlung besitzen würde. Soweit ich es beurteilen konnte, mußte sie ungefähr dreiunddreißig sein. Dennoch wirkte sie wie ein junges Mädchen, und das keinesfalls auf verkrampfte Art. Sie war schlank, hatte den klarsichtigen Blick enormer Vitalität, die feinporige und makellose Haut, das schwer herunterfallende glänzende Haar. Ihre Ausstrahlung, die so sorgfältig bemessen war, daß sie völlig unaffektiert wirkte, war die bewußter Unschuld. Ein spitzbübisches Funkeln ließ ein köstliches Potential an Verdorbenheit erahnen.
    Aber ich hatte genügend Erfahrung mit Frauen und wußte, daß das hier nur eine Rolle war. Die verführerische Frau, die nicht im Showbusiness ist, verfügt über fünf oder sechs Gesichter, die sie aufsetzen kann. Eine wie Lysa Dean mußte Dutzende besitzen, und das jetzt war das, welches sie momentan für mich ausgesucht hatte.
    Sie benutzte den Showbiztrick der engen Konversation. Normale Menschen halten mit dem Gesicht knapp einen Meter Abstand. An der Westküste beträgt die Entfernung zwanzig Zentimeter. Bei zwanzig Zentimetern spürt man die Wärme des mädchenhaften Mundes am Kinn und ist sich der entgegengereckten Brustknospe zweieinhalb Zentimeter vor der eigenen Brust bewußt.
    »Alle Freunde von Walt ...«, sagte ich dämlich.
    »Ich schätze diesen Mann zutiefst.« Sie wich einen viertel Schritt zurück, legte den Kopf schief und musterte mich mit einem schelmischen Lächeln. »Er hat gesagt, daß Sie groß sind, aber nicht, wie riesig Sie sind, Travis. Trav? Er hat Sie Trav genannt, glaube ich. Meine Freunde nennen mich Lee. Lieber Trav, er hat gesagt, Sie seien groß und rauh und mürrisch und manchmal auch gefährlich, aber er hat nichts davon erwähnt, wie schrecklich attraktiv Sie sind.«
    »Ein richtiger Schatz«, sagte ich.
    »Wie wunderbar von Ihnen, daß Sie mir helfen wollen.«
    »Ich habe noch nicht zugesagt.«
    Eine nachdenkliche Sekunde lang verharrte sie reglos, ohne ihr Lächeln einzustellen. Die überkronten Zähne glitzerten feucht. Das Grün der Iris war zur Pupille hin bernsteinfarben gesprenkelt. Die Haare der rotgoldenen Brauen lagen in subtiler Geometrie. Dunklere, phantastisch lange Wimpern. Auf der Oberlippe ein hauchzarter Flaum. Es war ein ungewöhnliches und grotesk vertrautes Gesicht mit beinahe scharfen Zügen, außerordentlich und unmißverständlich sinnlich. Mit leicht gesenktem Kopf schaute sie mich durch ihre Wimpern hindurch an. Ihr schweres rot-goldenes Haar war auf der rechten Seite ihres Gesichts leicht nach vorn gefallen. Plötzlich wusste ich, woran sie mich erinnerte. An eine Füchsin. An eine läufige rote Füchsin. Vor langer Zeit hatte ich einmal an einem Frühjahrsmorgen in den Adirondacks eine gesehen. Mit äußerst wachsamem und federndem Schritt, die Rute aufgereckt, war sie vor einem männlichen Fuchs hergelaufen und hatte sich umgeschaut, ob er ihr noch folgte, wobei ihr aus ihrem hundeartig grinsenden Maul die lange Zunge heraushing.
    Abrupt drehte Lysa sich um und ging zu dem erhöhten Teil des Zimmers, wo die Sessel um den Kamin standen. »Aber Sie werden mir helfen«, sagte sie leise.
    Ich folgte ihr. Sie setzte sich auf eine kleine Couch und zog die Beine an. Aus einer Schatulle auf dem Tisch nahm sie eine Zigarette. Ich gab ihr Feuer. Sie paffte Rauch aus den feingeschnittenen ovalen Nüstern der ein wenig spitzen Nase. Als ich in einem Sessel halb gegenüber der Couch Platz nahm, lächelte sie zu mir herüber. »Sie sind erfrischend, Travis McGee.«
    »Wie denn das, Lee?«
    Sie zuckte die Achseln und lachte selbstironisch. »Sie sagen nicht das, was ich sonst immer zu hören bekomme. In dem Film waren Sie einfach toll. In dem war ich hingerissen von Ihnen. Ich schaue mir alle Ihre Filme an. In Wirklichkeit sehen Sie noch viel besser aus als auf der Leinwand. Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Das kommt schon noch alles, wenn ich Sie um das Autogramm bitte.«
    »Wissen Sie, Sie sind schlechter Laune, stimmt’s? Oder Sie wollen sich auf keinen Fall von einem Hollywoodstar beeindrucken lassen. Oder ist es Ihnen wirklich scheißegal? Das bringt mich ein
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