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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
Autoren: Tom Liehr
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Schleuse selbst noch reichlich Platz, etwa fünfzig Meter. Da Mark nicht korrekt aufgestoppt hatte, trieben wir heckwärts auf die Pfähle zu. Außerdem heckwärts befanden sich zwei weitere Schiffe, die gerade eintrafen.
    »Wenn wir hinten festmachen und ich schlage dann nach rechts ein und gebe Gas – müssten wir dann nicht vorne automatisch anlegen?«, theoretisierte der Rudergänger, wobei er mit einer Hand in der Luft herumfuchtelte.
    »Eine andere Möglichkeit haben wir kaum«, antwortete ich und ging nach hinten, nahm mir eine Leine und fixierte den Holzpfahl, der am nächsten war – noch etwa drei Meter entfernt.
    »So macht man das nicht!«, brüllte jemand von einem der Nachfolgeboote.
    »Schema F kann jeder!«, brüllte Mark zurück. Wir bollerten gegen den Pfahl, der intensiv knirschte, und ich sprang, die Leine in der Hand, ans Ufer, bevor das Schiff vom ächzenden Pfahl zurückgefedert wurde. Dort wickelte ich das Tau mehrfach um das Holzding, hielt das Ende fest und wartete ab, was Mark tun würde.
    Aber nicht Mark tat etwas, sondern das Boot. Es schien hier Strömung zu geben, und zwar Gegenströmung. Während der Pott hinten festhing, drehte sich sein Vorderteil frischwärts mit der Strömung, also in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    »Bugstrahlruder!«, schrie der Mann, der festgestellt hatte, dass wir eher unüblich manövrierten. Er war von seinem Boot gesprungen, das längst sauber angelegt hatte, und kam am Ufer entlang zu uns gerannt, ordentlich gestikulierend.
    »Gute Idee«, kommentierte ich.
    »Roter oder grüner Knopf?«, wollte Mark wissen.
    Henner griff an ihm vorbei und drückte einen von beiden. Ein Geräusch wie von einer alten elektrischen Kaffeemühle ertönte, und sekundenlang schien nichts zu passieren, bis – Hol’s der Klabautermann! – der Bug der Dahme erst seine Bewegung stoppte und sich dann äußerst langsam, aber ziemlich sicher zum Ufer hin bewegte, und zwar zum Ufer vor uns, in Fahrtrichtung. Leider aber deutlich zu langsam. Inzwischen hatte die Schleuse nämlich ihre wundersame Tätigkeit beendet und diejenigen entlassen, die in die Richtung wollten, aus der wir kamen. Fünf ziemlich große Boote und eine Armadavon Kajaks hielten auf unser Schiff zu, das noch immer in voller Schönheit den Flusslauf blockierte.
    »Nach steuerbord einschlagen und Vollgas!«, krähte der Ratgebertyp, ein gesetzt wirkender, dicker Glatzkopf Anfang sechzig, der besser keine kurzen Hosen getragen hätte. Er stand inzwischen neben mir, ich konnte die Schweißperlen auf seiner blanken Schädelfläche zählen.
    »Steuerbord ist noch mal wo?«, krähte Mark zurück.
    »Rechts«, sagte der Mann. »Und bleib auf dem Bugstrahlruder.«
    Mark folgte der Anweisung, das Boot beschleunigte seine Bewegung auf das Ufer zu. Es reichte gerade, um die entgegenkommenden Boote gefahrlos passieren zu lassen. Als das letzte an uns vorbei war, wurde die Schleusenampel grün. Der Glatzkopf sprintete zu seinem Dampfer, die beiden vor uns legten elegant ab und hielten auf die Einfahrt zu.
    »Jetzt müssen wir nicht mehr anlegen, oder?«, fragte Mark. Ich löste die Leine wieder und sprang an Bord.
    »Nein, rein in das Ding.«
    »Aber nicht festmachen«, erinnerte Henner, der fast ebenso viel Schweiß auf der Stirn hatte wie der Glatzenkumpel auf seiner haarlosen Kalotte. »Und bitte langsam «, ergänzte der Kirchenmann.
    Eine Schleuse ist ein erstaunlicher, allerdings auch etwas bedrohlicher Mechanismus, wenn man ihn von innen erlebt. Tore vorne, Tore hinten, dazwischen eine längliche, stahleingefasste Kammer, die ungefähr vierzig Meter lang und nur etwas breiter als unser Kahn war. Man fährt hinein, legt an, dann wird Wasser hinein- oder abgelassen, und schließlich fährt man auf einem anderen Niveau hinaus. Das wusste sogar ich, der nicht sicher war, ob uns tatsächlich Süßwasser umgab. So weit die Theorie. In der Praxis hörten wir die Bugstrahlruder-Kaffeemühlen der beiden Pötte vor uns, die längst noch nicht das entfernte Ende der Kammer erreicht hatten,während die Dahme , die Boller beiderseits der Einfahrt geräuschvoll touchierend, in die Kammer schlingerte, wahrscheinlich viel zu schnell und ziemlich sicher ohne Plan. Ich sprang an den Steuerstand, schob Mark sanft-bestimmend zur Seite – und stoppte auf. Immerhin ließ die Breite der Schleuse nicht zu, dass wir uns wieder gegen die Fahrtrichtung drehten, doch wir klemmten diagonal fest, waren aber keine Bedrohung mehr für die
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