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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
Autoren: Maggie Shipstead
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einen Schritt zurück, und etwas pikste ihn ins Bein. Eine Strelitzie aus dem Blumenarrangement. »Ist es ein Tollhaus?«
    »Es ist nett – wenn man Mädchen mag. Du bist in der Minderheit.« Sie zählte an ihren Fingern ab: »Drei Brautjungfern, mich mitgezählt. Dann Daphne und Livia. Deine Frau und ihre Schwester. Habe ich jemand vergessen? Nein. Das macht sieben zu eins.«
    »Celeste ist auch hier?«
    »Hat Biddy das nicht erzählt?«
    »Vielleicht hat sie es erzählt, und ich habe es vergessen.«
    »Ja, Pech, Charlie. Außerdem taucht dauernd die Hochzeitsplanerin auf. Heute Morgen war die Friseurin da, und wir haben Frisuren ausprobiert. Gott sei Dank will Daphne alles eher schlicht. Ich war einmal auf einer Hochzeit, wo sie uns Ranken ins Haar gesteckt haben, die schlapp um unsherum baumelten wie tote Reben. Morgen ist Make-up-Probe, und was noch? Die Maniküre? Und mit dem Kleid ist auch noch was, wahrscheinlich muss für das Baby Platz geschaffen werden. Bestimmt habe ich noch was vergessen. Na, viel Vergnügen jedenfalls.«
    »Viel Vergnügen«, sagte Winn. Er rieb sich das Kinn und fragte sich, wie viel ihn das alles kostete. Wie konnte sie nur so ruhig sein, während er vor Nervosität schier aufgelöst war. Schließlich war sie diejenige gewesen, die bei Daphnes Verlobung seine Hand genommen hatte, und seither kämpfte er darum, sie aus seinen Gedanken zu verbannen. Ehrlich gesagt, kämpfte er schon seit Jahren darum, sie aus seinen Gedanken fernzuhalten, aber auf der Verlobung hatte sie zum ersten Mal Interesse gezeigt. Er bildete sich das nicht ein – er hatte sie oft genug mit Männern zusammen gesehen, um zu wissen, dass Flirten für sie ein unpersönlicher Reflex war und Sex-Appeal etwas, das sie wahllos über die Welt verteilte wie Flugblätter in einem Wahlkampf. Und es war nichts passiert. Nicht wirklich. Sie hatten nur unter dem Tischtuch die Finger ineinander verschränkt, aber die Berührung war ihm durch und durch gegangen. Und sie war diejenige gewesen, die sich neben ihn gesetzt und seine Hand gesucht und sie zu sich hin gezogen hatte.
    Agatha sah ihn an, den Kopf fast bis auf die Schulter geneigt. »Ich soll das Kleid holen.«
    »Ach!« Er bückte sich nach der weißen Schachtel und hielt sie ihr hin. »Bitte sehr.«
    Sie nahm sie an sich. »Es ist schwerer als ich dachte.«
    »Wahrscheinlich braucht eine schwangere Braut mehr Gestänge.«
    Sie lachte. Ihr Lachen bestand aus einer einzigen Silbe, diein der Kehle steckenblieb, weniger ein Ausdruck der Heiterkeit als eine Markierung, eine schmeichelnde Auslassung. Sie deutete mit dem Kinn nach oben und verdrehte die Augen. »Ich bringe es jetzt mal lieber zu Daphne.«
    Er sagte okay und tschüs dann, als beendete er ein Telefonat und sah ihr nach, wie sie die Treppe hinauf verschwand. Er kannte Agatha, seit sie vierzehn war und in Deerfield mit Daphne ein Zimmer geteilt hatte, und obwohl sie inzwischen siebenundzwanzig sein musste, war sie für ihn immer noch eine Lolita. Ihre Wirkung auf ihn war ihm immer noch genauso peinlich wie früher, als er seine Augen nicht von ihrem Hockeyrock hatte wenden können. Sie war keine besondere Sportlerin gewesen; vermutlich hatte sie nur gespielt, weil sie wusste, wie umwerfend ihr Rock und Kniestrümpfe standen, wenn sie mit ihren zwei unordentlichen Zöpfen über den Platz lief. Ob sie sich überhaupt noch daran erinnerte, dass sie seine Hand genommen hatte? Sie war auf der Verlobung beschwipst gewesen, alle hatten an dem Abend reichlich getankt, und ihm war angst und bange geworden, weil sie offenbar Bescheid wusste, nach all diesen Jahren, oder weil sie es vielleicht immer gewusst hatte. Doch als er nachts im Bett wach lag und an ihr bloßes Knie unter seinem Handrücken, an ihre Hand in seiner dachte, fiel eine Last von ihm ab; jetzt würde das Schicksal seinen Lauf nehmen.
    Sorgfältig die Blumen meidend, schloss Winn den Schrank und ging durch die Diele in die Küche. Als Kinder waren seine Töchter jeden Sommer sofort nach der Ankunft durch das ganze Haus gelaufen, um es bis in den letzten Winkel wiederzuentdecken und in ihrer eigenen kurzen Vergangenheit zu schwelgen. Sie feierten fröhliches Wiedersehen mit dem Inhalt von Schränken, den Segeltuchcouches, der Aussichtaus den Fenstern, den Büchern über Fische, Pflanzen und Vögel, den Schüsseln mit vom Meer rundgeschliffenen Glasscherben, dem blasenden Wal aus Holz über Winns und Biddys Bett, dem Blumenbeet mit der Sonnenuhr, halb
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