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Leichentanz

Leichentanz

Titel: Leichentanz
Autoren: Jason Dark
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dem schmalen Gang, wo eine Tür direkt zum Büro führte, die andere in das Bad.
    Er schaute ins Büro. Selbst ging er nicht hinein, sondern lugte durch den Türspalt.
    Es war leer, und beruhigt atmete er auf. Döring hatte damit gerechnet, erwartet zu werden. Entweder von den beiden Malern oder aber von der Polizei, denn mit ihr mußte er ebenfalls rechnen. Sein Bekannter hatte es nicht geschafft, sie so zurückzuhalten, wie es sich gehört hätte. Aber Cedric war kein so großes Problem, die Ghouls verbreiteten mehr Furcht. Er war bei ihnen zu weit gegangen, und er hätte sich überhaupt nicht mit ihnen einlassen sollen.
    Döring zog sich wieder zurück. Er verfluchte seine Gier, preiswert an Knochen heranzukommen, das alles spielte jetzt keine Rolle mehr. Er mußte sich mit den neuen Tatsachen abfinden.
    Im Bad zog er sich so schnell wie möglich aus. Er kümmerte sich auch nicht mehr um seine Schmerzen. Voller Wut schleuderte er die stinkende Kleidung zu Boden. Er wollte sie nicht mehr sehen, denn sie erinnerte ihn an die dunkelste Seite seines Lebens.
    Das Bad war klein, aber perfekt eingerichtet. Es fehlte an nichts. In der Dusche konnte sich Döring von vier Seiten bestrahlen lassen, was er auch weidlich ausnutzte. Dreimal seifte er sich ein, spülte sich auch ab, aber noch immer schwebte der Ghoulgestank durch seine Nase und hatte sich auch in der Kehle festgesetzt. Bei jedem Schlucken hatte er das Gefühl, ein Stück verwestes Fleisch zu essen.
    Nach dem Duschen putzte er sich die Zähne, gurgelte mit Mundwasser nach, trocknete sich ab und genoß die flauschige Weichheit des großen Badetuchs. Dann zog er sich an.
    Döring ließ sich Zeit dabei. Er genoß es sogar, die Socken überzustreifen, denn all dies bewies ihm, daß er noch lebte. Er hatte es überstanden, selbst die simpelste Tat, die er normalerweise nicht beachtete, brachte ihm Freude.
    Er kämmte sein Haar, ließ es leicht naß, so daß es aussah wie gegelt.
    Ein schöner Mann war er nicht. Eigentlich zu klein, auch schon zu alt, sein Gesicht zeigte weder Härte noch Bräune, es war zu bleich. Auf ihn flogen die Frauen nicht, wenn, dann nur auf sein Geld.
    Er entschied sich für einen helleren Sommeranzug, der einen leichten Stich ins Gelbliche hatte. Seine Frau hatte ihm den Anzug vor einigen Monaten gekauft und in den Schrank gehängt. Das Hemd war weiß, die Krawatte bunt, aber mit einem gelben Unterton im Muster. Sorgfältig band er den Knoten, war dann zufrieden, wollte sich selbst zunicken – und stöhnte auf, als er wieder die Stiche in seinem Rücken spürte. Zuviel durfte er sich nicht zumuten. Döring nahm sich vor, einen Arzt zu konsultieren, der ihn untersuchen sollte.
    Diesmal betrat er sein Büro, ging zum Fenster und schaute hinaus.
    London lag noch immer unter ihm. Nichts hatte sich verändert. Diesmal nur konnte er den Blick nicht genießen, weil einfach zu viel geschehen war. Nach guten Geschäftsabschlüssen hatte er sich immer vor das Fenster gestellt und über die Stadt geschaut. Da war in ihm das Gefühl hochgestiegen, sie zu beherrschen.
    So würde er nach den letzten Erlebnissen mit einer ganz anderen Welt nicht mehr denken. Da war er hineingeglitten in eine Subkultur, vor der er nur erschaudern konnte. Gewonnen hatte er nicht. Dies zu akzeptieren, fiel ihm schwer, denn bisher hatte er nur zu den Siegern gehört. Hinter seinem Schreibtisch hatte er sich oft wie ein Herrscher gefühlt. Als er jetzt dahinter saß, war dieses Gefühl ebenfalls verschwunden. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern. Was würde geschehen?
    Döring konnte keine Antwort geben. Er hockte in der Stille des großen Raumes, schaute ins Leere, wollte nachdenken, mußte aber seine Gedanken zunächst einmal ordnen, und so fiel es ihm schwer, sich zurechtzufinden. Wichtig war jetzt Susan Miller, seine Sekretärin. Sie war vertrauenswürdig, er konnte sich auf sie verlassen. Es war auch nicht zu spät, sie mußte sich noch im Vorzimmer aufhalten. Er stellte die Verbindung her.
    »Sie sind es, Mister Döring.«
    »Ja, ich bin wieder hier. Können Sie bitte kommen?«
    »Natürlich.«
    Mit Susan Miller kam er gut zurecht. Die vierzigjährige Blondine wußte den Mann zu nehmen, der doch als etwas schwierig galt. Sie war perfekt, hielt ihm den großen Ärger oft ab, filterte schlechte Nachrichten oder brachte sie in eine sanftere Form.
    Wie immer war sie perfekt angezogen. Die rote Kostümjacke paßte wunderbar zu ihrem cremefarbenen Rock, der knapp
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