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Leichentanz

Leichentanz

Titel: Leichentanz
Autoren: Jason Dark
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Keine Veränderung blieb ihr verborgen. Eine innere Stimme warnte sie sogar davor, weiterzugehen, darauf hörte sie jedoch nicht.
    Die Veränderungen waren nicht großartig. Man mußte sich schon auskennen, um sie zu sehen. Mal eine Mulde, dann ein kleines Loch, wo die Erde aufgewühlt war, dann wieder ein Hügel, aber es war eben alles so vorhanden, und das wollte ihr nicht in den Kopf. Wenn jemand auf diesem Stück Feld gearbeitet hätte, wäre die Veränderung logisch erschienen. Nur sah sie kein Werkzeug und auch keinen dieser abgestellten Wagen, die zumeist von den Friedhofsgärtnern benutzt wurden. Nein, hier war etwas ganz anderes passiert.
    Die einsame Besucherin machte sich Sorgen. Wenn sie den Friedhof besuchte, zog sie sich immer die flachen Schuhe an. Sie hatte immer Ärger mit ihren Füßen, das Laufen war nicht ihre große Stärke.
    Der Wind wehte ihr ins Gesicht. Er brachte Wärme mit. Stickige Wärme, die auch ungewöhnlich roch.
    Normalerweise roch Joanna das Gras und am liebsten dann, wenn es frisch geschnitten war. An diesem Geruch konnte sie sich nicht satt riechen, er war für sie Balsam, er war ein herrliches Stück Natur.
    An diesem Abend nahm sie einen anderen Geruch wahr. Einen, der eher zu einem Friedhof paßte.
    Es war der Geruch nach Verwesung, nach Fäulnis, nach einem widerlichen Moder.
    Als würde er tief aus der Erde kommen, in der die Toten lagen. Die aber waren längst vermodert, und das bleiche Gebein sonderte bestimmt keinen Gestank ab.
    Was also stimmte hier nicht?
    Joanna Leginsa schluckte. Sie hatte das Gefühl, ihn auf der Zunge wie eine zweite Speicheldecke liegen zu haben. Er setzte sich im Hals fest, er kratzte, und die Schritte wurden immer unsicherer. Schließlich hielt sie an und schaute sich um.
    Ohne es zu bemerken, hatte sie die Mitte des großen Gräberfeldes erreicht. Umgeben von den alten, grauen, verwitterten Steigen kam sie sich verloren vor, als hätte man sie hineingezogen in eine andere Welt.
    Der Untergrund interessierte sie besonders. Auch er hatte sich nicht verändert. Nach wie vor war er von einem dichten Rasen bedeckt, er war weich, hügelig, und sie entdeckte darauf einen Grabstein, dessen Lage ihr überhaupt nicht gefiel.
    »Das gibt es doch nicht«, flüsterte sie. Erst in der letzten Woche war sie genau an dieser Stelle gewesen. Da hatte sie den Grabstein auch gesehen, und da hatte er noch nicht so schief aus der Erde geragt, als würde er jeden Augenblick umkippen, wobei er mitten in der Bewegung gestoppt war.
    Plötzlich war der Wind kalt geworden. Oder kam diese Kälte aus ihrem Innern?
    Joanna Leginsa zitterte. Angst hatte sie vor diesem Friedhof nie gehabt, schließlich gehörte er zu ihren Lieblingsplätzen, an diesem Abend jedoch strich das Grauen in ihr hoch, und ihr fielen alte und unheimliche Geschichten ein, die sich die Leute über Friedhöfe erzählten. Von irgendwelchen bösen Ungeheuern, von lebenden Leichen, wie sie hin und wieder in den TV-Filmen gezeigt wurden, die am späten Abend liefen, aber das war doch alles Unsinn.
    Der Wind strich durch ihr Gesicht.
    Es war jetzt von einer Schicht bedeckt, die der Schweiß hinterlassen hatte. Das lag nicht allein an der Wärme, auch ihr inneres Feeling trug dazu bei.
    Sie drehte den Kopf.
    Der Geruch war geblieben. Das Gras neigte sich zur Seite, als der Wind darüber hin wegstrich. Es wollte sich vor den stärkeren Kräften der Natur verbeugen. Irgendwo raschelte altes Laub. Mit plumpgesetzten Schritten ging sie weiter, denn der Boden war weich, zu weich, und plötzlich war da das Loch. Sie hatte es zuvor nicht sehen können, denn es war durch eine dünne Grasdecke verborgen gewesen. Den Druck hatte sie nicht aushalten können, die Frau sackte wieder ein, und über ihre Lippen drang ein leiser Fluch. Auch hier war die Erde aufgewühlt. Nicht weit von einem breiten Grabstein entfernt, auf dessen vorderer Seite jemand irgendwelche Buchstaben eingekritzelt hatte, die aber mit den hier liegenden Toten in keinem Zusammenhang standen.
    Sie zerrte ihren Fuß aus dem Boden. Gras und feuchte Erde klebten in Höhe des Knöchels fest. Sie brauchte nur wenige Schritte, um den Grabstein zu erreichen, und dort klammerte sie sich mit beiden Händen an der oberen Kante fest.
    Joanna Leginsa atmete tief durch. Sie hatte das Gefühl, sich selbst aus der feuchten Friedhofserde gezogen zu haben, und sie schmeckte Blut im Mund, da sie sich auf die Lippe gebissen hatte.
    Vor ihr wuchs der Stein hoch. Ein
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