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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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Bett sieht unberührt aus, aber ihr Nachthemd und ihr Morgenmantel sind nirgends zu finden. Dafür liegt ihre Straßenkleidung im Zimmer, als wäre sie im Nachthemd weggegangen.«
    »Wann wurde sie zuletzt gesehen?«
    »Ich habe gestern Abend gegen zehn kurz mit ihr gesprochen, als sie von ihrem Abendspaziergang zurückkam und in ihr Zimmer ging. Wir haben über Weihnachten vier Frauen hier, aber von denen hat sie auch keine gesehen.«
    »Und sie hat keine Nachricht hinterlassen?«
    Aira schien mit der Antwort zu zögern. »Nein.«
    »Gibt es jemanden, zu dem sie gegangen sein könnte? Wer sind ihre engsten Freunde?«
    »Ich habe natürlich sofort bei Joona angerufen … bei Joona Kirstilä. Er ist Elinas Freund. Aber bei ihm ist sie auch nicht.«
    »Joona Kirstilä, der Dichter?«, fragte ich neugierig. Elina stand immer wieder im Licht der Öffentlichkeit, aber von einer Liebesbeziehung hatte ich nie gehört.
    »Ja, genau der. Sie sind seit ein paar Jahren befreundet. Elina übernachtet ab und zu bei ihm in der Lapinlahdenkatu, deshalb dachte ich, sie wäre vielleicht dort.«
    »Besteht irgendein besonderer Grund zur Besorgnis, was Elinas Verschwinden betrifft? Ist an Weihnachten etwas Außergewöhnliches vorgefallen? Gab es Streit? Wer hält sich denn zur Zeit in Rosberga auf?«
    »Johanna Säntti und Milla Marttila hast du ja, wenn ich mich recht entsinne, bereits kennen gelernt. Die beiden haben seit dem Kurs Anfang Dezember praktisch hier gewohnt. Tarja Kivimäki, eine alte Bekannte von Elina, ist kurz vor Weihnachten angekommen, Niina Kuusinen am ersten Feiertag. Sie hat ebenfalls an Elinas Kursen teilgenommen.«

    Es wunderte mich, dass Milla immer noch in Rosberga war, obwohl sie sich dort gar nicht wohl zu fühlen schien. Und Johanna … hatte sie mit ihren Kindern nicht einmal Weihnachten feiern dürfen? Ich schob den Gedanken beiseite und fragte weiter:
    »Elina geht also normalerweise nicht weg, ohne Bescheid zu sagen?«
    »Nein! Es ist wirklich merkwürdig, ich …«
    »Sie wird seit weniger als vierundzwanzig Stunden vermisst.
    Bei Erwachsenen unternimmt die Polizei nach so kurzer Zeit noch nichts. Hat Elina andere Freunde oder Verwandte, bei denen sie sich aufhalten könnte?« Wieder verneinte Aira, schien aber nicht geneigt, das Gespräch zu beenden. Ich fragte mich, was sie eigentlich von mir erwartete. Vielleicht hatte sie mich nur angerufen, um sich von einer Sachkundigen bestätigen zu lassen, dass kein Grund zur Sorge bestand, dass immer wieder Menschen ohne Erklärung verschwinden und nach einer Weile unversehrt wieder auftauchen. Aber diesen Trost brachte ich nicht über die Lippen, denn auch mir kam Elina Rosbergs plötzliches Verschwinden seltsam vor.
    »Ruf mich wieder an, wenn du bis morgen früh nichts von ihr gehört hast«, sagte ich schließlich. Es kam mir komisch vor, die vierzig Jahre ältere Aira zu duzen, aber sie hatte ja damit angefangen. Das war in Rosberga wohl so üblich. »Ruf sicher-heitshalber auch an, wenn sie zurückkommt«, setzte ich hinzu und gab ihr meine Privatnummer, obwohl ich wusste, dass ich das nicht tun sollte. Ich versuchte mir einzureden, ich wäre nur neugierig, wusste aber, dass ich mir etwas vormachte.
    Ich war besorgt.
    Um nicht weiter über Elina nachzugrübeln, tippte ich meinen Bericht zu Ende. Bevor ich nach Hause fuhr, rief ich Antti an und bat ihn, meine Skier zu wachsen. Den ganzen Tag über hatte dichtes Schneetreiben geherrscht, und die Felder lagen unter einer dicken weißen Decke. Jetzt am Abend klarte es auf, das Thermometer sank unter null, genau das richtige Wetter zum Skilaufen. Einer der vielen Vorzüge unseres Hauses in Henttaa war die Möglichkeit, direkt von der Haustür aus loszulaufen.
    Auf dem Flur kam mir Pertti Ström entgegen. Er hatte über Weihnachten Dienst geschoben, seine Familie brauchte ihn nicht, wie er sagte. Seine Exfrau und ihr neuer Mann waren mit den Kindern auf die Kanarischen Inseln geflogen. Pertsa schaute noch bärbeißiger drein als gewöhnlich, seine großporige Gesichtshaut war von tiefen Falten durchzogen, und die an den Schläfen schütter werdenden hellbraunen Haare klebten am Kopf, als seien sie schweißnass. Die zweimal gebrochene Nase leuchtete rot in seinem winterblassen Gesicht. Ob er eine Erkältung ausbrütete?
    »Diese verfluchte Schießerei in Perkkaa hat mich einen ganzen Tag gekostet! Angeblich kann sich keiner an irgendwas erinnern«, knurrte Pertsa als Antwort auf meinen
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