Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine
Autoren: Nachtkrater
Vom Netzwerk:
zuerst?«
    Gonzo trat vor, der Streber, und schob den Ärmel hoch. Der Arzt zog dickes dunkles Blut aus Gonzos V e ne, verkabelte ihn und schickte ihn aufs Rad. Gonzo b e gann zu strampeln, den Blick auf den Monitor gerichtet, auf dem sich die Straße den kahlen Berg hinauf in Bew e gung setzte.
    »Der Nächste, bitte«, sagte der Arzt.
    Franco rollte den Ärmel des violetten Artemis-Sweaters hoch. Er radelte im südländischen Energi e sparmodus und ohne Tour-de - France- Simulation.
    Dr. Wathelet nahm die nächste Spritze. »Michel A r dan, notre sauveteur«, sprach er mich auf Französisch an, wenn auch mit den verlängerten Vokalen der belgischen Abart. »Unser Retter.«
    »Da muss ein Irrtum vorliegen.«
    Die Plastikverpackung der Spritze entglitt Wathelets Fingern und versuchte zu fallen, doch reichte ihr die Gravitation nicht, um gegen die dicke Luft im Habitat anzukommen. So geriet sie in den Wirbel der Ergometer und entsegelte unseren Blicken. Gab es hier eigentlich eine Putzkolonne, fragte ich mich und schob den Ärmel hoch.
    »Oh!« Der Alte schärfte den Blick in mein Gesicht. Sein Lächeln erfuhr eine Testosteronaufhellung. »Da haben die im Astronautenbüro anscheinend das ›le‹ ve r gessen, Mademoiselle Michelle?«
    Ich musste lachen. Es hallte befremdlich wider in der Grabkammer meiner Gefühle. Auf die Idee hätte ich auch kommen können. Es hätte mir den Krampf mit dem Uri n rohr erspart und diverse Geschamigkeiten in der Enge der Fähre.
    »Erstaunlich, dass die Raumfahrt überhaupt funkti o niert, bei so vielen Schlampereien da unten.« Dr. Wath e let klopfte vergnügt auf meine kaum sichtbare Vene.
    »Bei Torsten Veiths Tod hat hier oben doch au ch alles versagt«, bemerkte ich.
    »Vor allem Torstens Selbstschutzinstinkt, würde ich sagen.« Er stach zu.
    »Äh …« Ich zuckte demonstrativ zusammen, obgleich der Einstich nicht spürbar war. »Wozu …? «
    »Mich interessiert euer Salzhaushalt. Mir ist jedes K a ninchen recht, das ich kriege. Bevor wir irgendwelche Astronauten zum Mars schicken, müssen wir was gegen die galoppierende Osteoporose in der Schwerelosigkeit tun können. Zum Glück lässt sich das Phänomen auch auf dem Mond beobachten. Der Blutdruck sinkt, der Körper scheidet weniger Salz aus, das lagert sich in den Knochen ein, Kalzium wird abgebaut. Da kannst du noch so viel aufs Schüttelbrett steigen, irgendwann hast du Glasknochen.«
    Schöne Aussichten!

5
     
    »Weißt du, was das Einzige ist, was wir auf dem Monde finden werden? – Den Tod.« Frau im Mond, Ufa-Film, Fritz Lang, 1929
     
    Knochenschwund, Apollo 13 und »Houston, wir h a ben ein Problem«, Verschwörungstheorien und Humbug gab es im weltweiten Netz reichlich, mit harten Fakten zu aktuellen Weltraummissionen war es dagegen sparsam. Niemand schwärmte derzeit vom Aufbruch ins All. Das Auge der Nacht faszinierte nur Ängstliche und Fantasten.
    Früher hatte man geglaubt, es gebe schönes Wetter, wenn der Mond sein erstes Viertel aufscheinen ließ, und Stürme, wenn die linke Hälfte strahlte. Deshalb hatte man den dunklen Mondflecken auf der rechten Seite Namen wie »Meer der Fruchtbarkeit«, der »Ruhe« und des »Nektars« gegeben und den Meeren auf der linken Seite »Regen«, »Nebel« und »Sturm«. Heute glaubte man, dass Haare bei zunehmendem Mond schneller wuchsen. Und Bäume musste man bei abnehmendem Mond fällen.
    Auf der Seite des Deutschen Luft- und Raumfahrtzen t rums fand ich immerhin die derzeitige Besatzung der Artemis: zwanzig Leutchen unter amerikanischem Kommando, eine lustige Mischung aller möglichen Nati o nalitäten, darunter ein Bolivianer, ein Südkoreaner, eine Chinesin, ein Kasache, ein Pole. Der Zweite von links war Torsten Veith. Dahi n ter ein Kreuz. Ein jugendliches Durchschnittsgesicht blickte mich an, mittelblond, graue Augen. Auch Wikipedia hatte den Todesfall auf der Ar temis längst eingepflegt: ein Unfall während eines Außeneinsatzes, der auf Fachchinesisch EVA, extraveh i cular activity, hieß, o b gleich es sich bei der Artemis ja nun nicht mehr um ein Fahrzeug handelte. Torsten Veith war in Wangen im Allgäu geboren und 36 Jahre alt g e worden. Er war vier M o nate oben gewesen und hätte in zwei Monaten zur Erde zurückkehren sollen. Mehr gab Google nicht her.
    Ich entsann mich meiner früheren Rechercheverfahren und entschloss mich zu einem Ausflug zum Pressehaus gleich neben Daimler in Möhringen. Bront ë , die greise Dame aus der Familie der Porsche,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher