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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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Kinder. Es müssen nicht gleich sieben sein wie bei F a milienministerin von der Leyen. Bei gleicher Qualifik a tion … ach was red ich, bei halbwegs ausreichender Qu a lif i kation bekommt die Frau mit Kind den Posten, nicht die ohne.«
    Ich konnte es nicht beurteilen. Meine Karriere als Fremdsprachensekretärin war nie in die Gänge geko m men und die als Journalistin hatte nach wenigen Jahren beim Stuttgarter Anzeiger einen steilen Abstieg erfahren. Zum Nachteil meiner beruflichen Entwicklung und g e sellschaftlichen Integration hatte ich ein Vermögen g e erbt, was es mir erlaubte, mein Leben ziel- und veran t wortungslos zu verplempern.
    »Oder unverheiratete Männer«, bemerkte ich. »Und ob deine Beobachtungen im Amt für eine solche Analyse ausreichen, Richard, das …«
    »Holla, Lisa!« Er lachte heiter und hämisch. »Auf das feministische Dogma von der Benachteiligung der Mü t ter fällst sogar du rein!«
    Ich schluckte und fuchste mich. »Was ist, Richard? Hat Depper die Indiskretion besessen, dir deine Kinde r losigkeit vorzuhalten, oder was hast du gegen Mütter mit Karriere?«
    »Ich habe nichts gegen Mütter in Führungspositionen, Lisa. Das weißt du. Ich rege mich auch nicht darüber auf, wenn eine Amtsrichterin die Sitzung regelmäßig Viertel vor zwölf unterbricht, weil sie die Kinder aus dem Kin de r garten holen muss, egal, wie viele Zeugen noch wa r ten. Ich arbeite wirklich lieber mit Kolleginnen zusa m men. Die lassen sich wenigstens nicht durch jede Niede r lage des VfB Stuttgart aus dem Konzept bringen. Aber Kinder als Leistungsbeweis für die Karrierefähigkeit, da komme ich nicht mit. Das hat was von … von Mis s brauch.«
    Richard war feinfühlig, wenn es um Kindheiten ging. Seine eigene hatte er im Zeichen des »Gewogen und zu leicht befunden« einem erbarmungslosen Vater zum Trotz und nur mit Blessuren überlebt.
    »Na hör mal«, sagte ich. »Wenn Kinder nix bringen, wozu sollte man sie dann kriegen? Schon bei den Affen bringen Kinder Prestige. Deshalb klauen ranghöhere A f fen den rangniedrigeren gern mal das Baby. Auch wenn es dann an den eigenen trockenen Titten stirbt.«

4
     
    Damit hätte die Sache erledigt sein können. Doch noch einmal forderte Richterin Depper unsere volle Aufmer k samkeit.
    Eigentlich hatte ich mich am Morgen noch dreimal im Bett umdrehen wollen, aber die Erinnerung an den gestr i gen Überfall hielt mich wach. Ich lauschte nach oben. Da hätten Dielen knarren müssen, zwei Kinder mussten für Kindergarten und Schule fertig gemacht werden. Ich fluc h te, schwang die Beine aus dem Bett, zog mich an, stieg zusammen mit Cipión ein Stockwerk höher und kli n gelte. Zuerst tat sich gar nichts, dann hörte ich je n seits der Tür Katarinas verschlafene Stimme. »Nicht schon wi e der!«
    »Ich bin’s, Lisa von unten«, sagte ich. »Mach auf!«
    Sie öffnete mit dem Hörer der Gegensprechanlage in der Hand und blickte mich vertränt an.
    »Musst du nicht in die Schule? Und Tobi in den Ki n dergarten?«
    »Wie spät ist es denn? Scheiße!« Sie ließ den Hörer fallen, schrie in die Wohnung: »Mama!«, und riss die nächste Tür auf. Ich hängte den Hörer der Gegensprec h anlage auf, während Cipión schon mal das Kinderzimmer stürmte. »Aufstehen, Tobi«, hörte ich Katarina ihren Bruder wecken. »Schau mal, da ist das Hundle!«
    Aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter kam Katarina u n verrichteter Dinge wieder heraus. Sie machte eine resi g nierte Geste und fuhr Tobi an, der bei Cipión hockte und ihn streichelte: »Zieh dich an!«, und verschwand im B a dezimmer.
    Die Küche sah unerwartet ordentlich aus. Es gab eine Mikrowelle, eine Kaffeemaschine, die Spüle war sa u ber. Aber ich fand keinen Kaffee, kein Brot, keine Bu t ter im Kühlschrank, keinen noch so verschrumpelten Apfel. Eine Dose Kakao gab es, aber die Milch im Kühlschrank roch faulig. Zum Frühstücken war jetzt vermutlich ohnehin keine Zeit mehr. Wann fing eigen t lich die Schule an?
    Ich hörte Katarina Tobi zur Eile antreiben, mütterlich keifend: »Deine Hose kannst du selber anziehen. Du bist groß genug!« Dann kam sie in die Küche, steckte sich eine Zigarette an und begann, sich vor einem kleinen Spiegel am Küchentisch zu schminken. Make-up, Puder, Lidschatten, Lidstrich, Wimperntusche, als ob sie alle Zeit der Welt hätte.
    »Es ist nichts da für ein Pausenbrot«, bemerkte ich.
    Katarina winkte ab. »Tobi kriegt was im Kinderga r ten.«
    »Und du?«
    Sie sah mich über die
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