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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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übertriebener Freude auf den Rücken, wie immer, wenn er beschämt war, weil er Richard nicht schon vorher auf der Treppe gehört hatte. Auch ich wunderte mich, schließlich hatte ich aus seinem Fahrdienstangebot an Sonja Depper schließen müssen, dass er zu sich nach Hause fahren würde.
    »Und«, fragte er, »schon ein Kind gefunden?«
    »Hat sie sich über mich beschwert, deine Walküre?«
    »Du hast sie halt ein bissle verschreckt, Lisa.«
    »Oh, das tut mir aber leid!«
    Mit der unnachahmlichen Geste der Erleichterung zog er sich den Schlips aus dem Kragen und öffnete den obersten Hemdknopf.
    »Nimm dich vor der in Acht, Richard! Die geht über Leichen!«
    »So, gefällt sie dir nicht?« Er lachte, hängte sein J a ckett über eine Stuhllehne und ging in die Küche, um den Kaffeeautomaten anzustellen. Mit Sicherheit warf er d a bei einen Blick aus dem Fenster über die Neckarstraße hi n über auf den Bunker der Staatsanwaltschaft, um sich zu verg e wissern, dass bei ihm im Büro in Augenhöhe meines K ü chenfensters kein Licht brannte. Nachdem er festg e stellt hatte, dass er folglich nicht dort, sondern hier war, kam er ins Zimmer zurück, stellte den Fernseher an, warf sich auf mein altes Sofa und zappte sich durch bis Sno o ker. Richard konnte stundenlang Snooker gucken. Das Klackklack der Billardkugeln störte nicht, die Kommentatoren pflegten in raunendem Ton die Spielz ü ge zu erkl ä ren, und der Beifall beschränkte sich auf ein Fingerschni p pen.
    »Übrigens«, sagte ich, »ein Kind hätte ich schon für Frau Depper. Da will eine Siebzehnjährige ein Kind lo s werden, das sie bald bekommt.«
    »So?« Er erinnerte sich, dass der Kaffeeautom at i n zwischen aufgeheizt sein musste, und stand auf. Ich hö r te, wie er aus der Spüle einen meiner Becher nahm und u n ter dem Wasserhahn ausspülte.
    »Sie hat dir doch sicher von unserer Wette erzählt, oder?«
    Richard erschien in der Tür, einen tropfenden Kaffe e becher in der Hand und Alarm im Blick.
    »Nicht? Ich habe ihr angeboten, dass ich ihr beweisen werde, dass ihre Busenfreundin vom ASD, Annemarie Hellewart, aus unlauteren Beweggründen handelt. Die gefährlichsten Menschen auf der Welt, Richard, sind di e jenigen, die es gut meinen!«
    »Soso.«
    »Hellewart trägt möhrenfarbene Kleider und die Haare biograu. Sie strotzt vor moralischer Eitelkeit!«
    »Und du bist natürlich total objektiv.« Er drehte sich um und verschwand wieder in der Küche. Ich hörte das Mahlwerk der Kaffeemaschine. Wasser knatterte aus dem Überdruckbehälter. Ich stand auf und tappte strümpfig hinüber.
    »Im Ernst, Richard. Das, was das Jugendamt heute früh da oben veranstaltet hat, das hat mich erinnert an …«
    » Scht ! Lisa! Vergleiche mit Gestapo oder Stasi zeugen nur von historischer Unbildung!« Er zog den Kaffeeb e cher aus der Maschine und blies in den Schaum.
    »Und warum ziehst du mit dieser Richterin Depper herum?«
    Er nagelte seinen asymmetrischen Blick in meinen.
    »Was ist es? Ihr Kutschpferdearsch im Karrierekostüm oder die verständnislose Bewunderung für dich in ihrem Blick?«
    Er schnaubte, dass der Schaum über den Becherrand trielte. »Sie hat mich heute im Amt besucht, und ich wol l te nicht unfreundlich sein.«
    »Was macht eine Richterin denn in der Staatsanwal t schaft?«
    »In Baden-Württemberg springt man auf der Karrier e leiter zwischen Staatsanwaltschaft und Richteramt hin und her. Bis vor drei Jahren war Depper noch Staatsa n wältin. Sie hat allerdings keinen einzigen Fall zum A b schluss gebracht.«
    »Und warum besucht sie dich?«
    »Aus Langeweile?« Er schmunzelte. »Nun ja, sie b e trachtet mich als ihren Mentor.« Es klang peinlich b e rührt. »Und jetzt, wo Trautwein ans Oberlandesgericht geht, möchte sie wieder zu uns zurück. Ins Dezernat für Tötungsdelikte, nicht in meines. Meisner intrigiert schon seit Wochen, um das zu verhindern.«
    Ich lachte.
    »Und weißt du, warum Depper so schrecklich gern Frau ist?«
    »Weil die Frauen die Kinder bekommen.«
    »Und weil sie damit Karriere machen will.«
    »Wie bitte? Heißt es nicht allenthalben, Kinder seien der Karriere eher abträglich?«
    »Reine Propaganda, Lisa! Vergiss alle Studien über Karriere, Kinder und Kindertagesstätten. Die sind zwa n zig Jahre alt oder gefälscht. Kinder sind kein Beförd e rungshindernis, sondern ein Beförderungsgrund. Kinde r lose Frauen haben heutzutage ein Karriereproblem. Die mit Kindern nicht. Alle erfolgreichen Frauen haben
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