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Das Reich der Traeume

Das Reich der Traeume

Titel: Das Reich der Traeume
Autoren: Santiago García-Clairac
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I
    Arquimaes,
der Weiseste aller Weisen
    D ie erste Seite der Legende von Arturo Adragón, dem kühnen Ritter, dem Anführer eines sagenumwobenen Heeres, dem Begründer eines mythischen Reiches der Gerechtigkeit, eines Reiches frei von Kriegen, Tyrannei und Hexerei, wurde in jener Nacht geschrieben, als zwanzig Soldaten auf die Ortschaft Drácamont zuritten.
    In schwere, weite Mäntel gehüllt, bis an die Zähne bewaffnet und geschützt durch Panzerhemd, Helm und Schild, waren die Reiter in einer Mission unterwegs, die nur im Schutz der Dunkelheit durchgeführt werden konnte.
    Die Straßen waren schlammig und menschenleer. Ein paar Hunde kreuzten den Weg der Soldaten und ergriffen lautlos die Flucht, als witterten sie die nahende Gefahr. Ratten ließen von verfaulten Essensresten ab und verkrochen sich in dunklen Löchern, um den Reitern nicht zu begegnen. Der Geruch des Todes lag in der Luft.
    Die Soldaten wussten, dass die Bewohner des kleinen Dorfes Drácamont sie durch die spaltbreit geöffneten Türen und Fenster beobachteten. Doch sie waren sich ihrer Macht so sicher, dass es sie nicht kümmerte.
    Den schwierigsten Teil ihrer Mission hatten sie bereits hinter sich: Sie waren heimlich in König Benicius’ Ländereien eingedrungen, ohne von dessen Männern entdeckt zu werden. Noch immer schwebten sie in Lebensgefahr, doch derartige Risiken waren im Sold und in ihren Treueschwüren inbegriffen.
    Die einfachen Bauern von Drácamont hielten sich lieber von den Soldaten fern. Sie wussten, dass es besser war, sich ihnen nicht in den Weg zu stellen. Stattdessen sandten sie in dieser finsteren, unheilvollen Nacht Stoßgebete zum Himmel, die Soldaten mögen schnell wieder abziehen.
    Â»Wir werden bald nach Hause zurückkehren«, versprach Hauptmann Cromell seinen Leuten. »Wenn alles gut geht, bekommt jeder von euch eine ordentliche Belohnung.«
    Zur selben Zeit wurde außerhalb des Dorfes, in der Nähe des Friedhofs, im Innern eines alten Turmes fieberhaft gearbeitet.
    Die Gehilfen des Alchemisten Arquimaes hatten die Fensterläden geschlossen, damit das Kerzenlicht keine Aufmerksamkeit erregte und sie vor neugierigen Blicken geschützt waren.
    Arturo, Arquimaes’ junger Schüler, goss eine zähe schwarze Flüssigkeit in einen kleinen Glasbehälter. Dann tauchte der Meister einen Federkiel in die Tinte und begann, auf das vor ihm liegende gelbliche Pergament zu schreiben.
    Mit ruhiger, sorgfältiger Hand reihte Arquimaes stilvolle Buchstaben aneinander und erschuf ein harmonisches, wohlgeordnetes Ganzes voller Geheimnisse. Einen kryptischen Text, den kein Sterblicher je würde entziffern können, da Arquimaes ihn in einer von ihm selbst erdachten Geheimsprache verfasste – so wie es alle Alchemisten zu tun pflegten, wenn sie ihre Entdeckungen schützen wollten.
    Auf einmal jedoch störten beunruhigende Geräusche die Stille: das aufgeregte Schlagen von Flügeln, das Geklapper von Pferdehufen auf dem Straßenpflaster, gebrüllte Befehle, das Scheppern von Rüstungen, Schwertern und Schilden …
    Schlagartig begriffen die Bewohner des alten Turmes, dass Gefahr drohte. Der Klang von Stahl bedeutete immer Gefahr.
    Arquimaes hörte auf zu schreiben, und schon wurde die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgestoßen. Eine Woge eiskalter Luft drang herein und mit ihr mehrere Soldaten, die die Gehilfen des Alchemisten grunzend aufscheuchten, vor sich her stießen und gefangen nahmen.
    Â»Keine Bewegung!«, brüllte Hauptmann Cromell mit gezücktem Schwert und Zornesröte im Gesicht. »Wir handeln auf Befehl des Grafen Eric Morfidio!«
    Ohne darüber nachzudenken, dass er gegen die erfahrenen Krieger keinerlei Aussicht hatte zu siegen, stellte sich der junge Arturo den Soldaten in den Weg.
    Â»Was tut ihr da?«, schrie er aufgebracht. »Ihr könnt doch nicht einfach hier eindringen! Dieses Laboratorium ist heilig! Arquimaes steht unter dem Schutz von König Arco de Benicius!«
    Einer der Soldaten hob sein Schwert, doch eine mächtige Stimme hinderte ihn daran, es auf den Jungen herabsausen zu lassen: »Halt ein! Wir sind nicht zum Töten gekommen! Nur wenn es nicht anders geht …«
    Graf Morfidio hatte soeben den Raum betreten und damit dem Jungen in letzter Sekunde das Leben gerettet. Der stämmige Edelmann mit dem zerzausten Haar und dem dichten grauen Vollbart wandte sich
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