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Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Titel: Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
Autoren: Rachel Aaron
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Doch als er nur daran dachte, aufzustehen, erschien es ihm unmöglich. Schließlich beschloss er, einfach liegen zu bleiben, und wenn er aufwachte – falls er wieder aufwachte –, würde er weitersehen.
    Kaum hatte er diese Entscheidung getroffen, wurde er auch schon vom Schlaf überwältigt. Er lag in einer kleinen Senke, eingekuschelt zwischen einem verrottenden Baumstamm und einem lebenden Baum, der so still war, als wäre er selbst tot. Hoch über ihm wehte der Wind durch die Bäume und warf Blätter auf ihn. Die Brise zog vorbei, dann drehte sie um und tauchte in die Senke ab, in der der Junge schlief.
    Der Wind blies sanft, bewegte die Haare des Kindes, glitt über die schlammigen, zerrissenen Falten seiner Kleidung und über seine geschlossenen Augen. Dann, als er gefunden hatte, wonach er suchte, stieg der Windhauch wieder auf und eilte über die Baumwipfel davon. Ein paar Minuten vergingen in vollkommener Ruhe, dann erschien in der Luft über dem Jungen eine weiße Linie. Sie wuchs und öffnete einen Riss in der Luft, aus dem scharfes, weißes Licht in die Dunkelheit strahlte.
    Von dem Moment an, da das Licht erschien, bewegte sich nichts mehr im Wald. Alles – ob nun Insekten oder andere Tiere, Pilze, die Blätter auf dem Boden, die Bäume, das Wasser an den Stämmen –, wirklich alles erstarrte und beobachtete, wie eine elegante, weiße, weibliche Hand durch den Schnitt in der Luft glitt, um dem Jungen den Schlamm von der Wange zu wischen. Er zuckte im Schlaf zusammen, und die schmalen weißen Finger bewegten sich erfreut.
    Inzwischen war der Wind zurückgekehrt, stärker als vorher. Er wirbelte zwischen den Bäumen nach unten und ließ gefallene Blätter tanzen, doch den Jungen berührte er nicht.
    »Ist er nicht so, wie ich es Euch beschrieben habe?«, flüsterte er, während er den schlafenden Jungen ansah, wie nur Geister es können.
    Ja . Die Stimme aus dem weißen Raum hinter der Welt war voller Freude. Eine weitere Hand erschien, schloss sich der ersten an und streichelte die schmutzigen Haare des Jungen. Er ist genau so, wie du sagtest .
    Der Wind plusterte sich selbstzufrieden auf, aber die Frau hinter dem Riss schien vergessen zu haben, dass er auch nur existierte. Ihre Hände streckten sich weiter vor, es erschienen ein schneeweißer Arm, Schultern und ein Wasserfall aus reinweißen Haaren, der scheinbar aus sich selbst heraus leuchtete. Dann folgten weiße Beine, und zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren schlüpfte sie vollständig durch das seltsame Loch, verließ ihre weiße Welt und trat in die Realität.
    Überall um sie herum erzitterte der Wald vor Ehrfurcht. Jeder Geist, von den uralten Bäumen bis zu den Eintagsfliegen, verbeugte sich in Ehrerbietung. Das Totholz, das Moos, selbst der Schlamm unter ihren Füßen ehrte sie und betete sie an. Sie warfen sich vor dem weißen Licht zu Boden, das aus ihrer Haut strahlte, als hätte der Mond sich zur Erde begeben.
    Die Dame nahm sie nicht zur Kenntnis. Solche Ehrerbietung stand ihr zu. Ihre gesamte Aufmerksamkeit war auf den Jungen konzentriert, der immer noch tief schlief, während seine schmutzigen Hände seine dreckige Jacke enger um sich zogen.
    Sanft wie Nebel kniete sich die weiße Dame neben ihn und schob ihre Hände unter seinen Körper. Sie hob ihn vom Boden, als wäre er schwerelos, und legte ihn sanft auf ihren Schoß.
    Er ist schön , sagte sie. So wunderschön. Selbst durch den Schleier des Fleisches hindurch strahlt er wie die Sonne .
    Sie stand in einer eleganten, gleitenden Bewegung auf und hielt den Jungen in den Armen. Du solltest mein Stern sein , flüsterte sie, bevor sie ihre weißen Lippen gegen die Stirn des schlafenden Jungen drückte. Mein heiß geliebter Favorit, für immer und immer, bis zum Ende der Welt und darüber hinaus.
    Der Junge bewegte sich, als sie ihn berührte, drehte sich im Schlaf zu ihr, und die Weiße Dame lachte erfreut. Sie drückte ihn sanft an die Brust, drehte sich um und trat zurück durch den Riss in der Welt. Ihr Licht verschwand mit ihr. Die weiße Linie hatte noch einen Augenblick Bestand, nachdem die Dame verschwunden war, dann schimmerte auch sie und löste sich auf, sodass der Wald dunkler und leerer zurückblieb als vorher.

Kapitel 1

    Z arin, die Stadt der Magie, erstrahlte weiß in der Nachmittagssonne. Sie ragte über die Ebenen der zentralen Ratskönigreiche auf und breitete sich auf dem steinernen Grat aus, der das Vorland vom Bergland trennte. So konnte man die Türme
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