Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legende der Angst

Legende der Angst

Titel: Legende der Angst
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
einzelne identifiziert, meist anhand der Röntgenbilder der Zähne. Jim Kline, Larry Zucker, Carol McFarland – die Liste ging weiter und weiter. Nguyen war überrascht und traurig gewesen, als sich herausgestellt hatte, daß Angelas Nachbar Kevin auch unter den Toten gewesen war. Den Berichten der Experten zufolge war er der einzige gewesen, der sich zum Zeitpunkt der Explosion im Keller aufgehalten hatte. Von ihm war nicht genug übriggeblieben, um es begraben zu können.
    Von Angela Warner waren keine sterblichen Überreste gefunden worden.
    Nicht einmal im Wasser. Nguyen hatte veranlaßt, daß auch dort gesucht wurde.
    »Nicht, Mädchen«, sagte Nguyen zu seinem Hund. Das Tier hatte Angela und ihrem Großvater gehört; in der Nacht der Explosion war Nguyen sozusagen über es gestolpert, als es völlig durchnäßt und taub durch die Gegend gestreift war. Der Hund hatte sein Hörvermögen immer noch nicht wieder vollständig zurückerlangt. Kinder von der Schule, Klassenkameraden von Angela, hatten ihm gesagt, daß der Hund Plastic heiße. Manchmal nannte Nguyen ihn so. »Paß auf, daß du kein Öl an deine Pfoten bekommst«, sagte er. »Bleib vom Wasser weg.«
    Nguyen war gekommen, um sich von der Gegend zu verabschieden. Er zog nach Kalifornien um. Viele verließen die Stadt; Point war auf dem besten Weg, eine Geisterstadt zu werden. Das Entsetzen über den Tod so vieler junger Leute hatte Familien auseinanderbrechen und nicht mehr zueinanderfinden lassen. Sie konnten es nicht ertragen, weiterhin an dem Ort zu leben und zu atmen, der ihnen soviel Trauer gebracht hatte.
    Dann war da die seltsame Geschichte mit dem Öl gewesen.
    Ungefähr sechs Wochen nach der Explosion war ein Mann namens Phillip Frazier von irgend etwas angegriffen worden, während er einen ‘Duck fuhr – einen Propangas-Truck, der in der Gegend unterwegs gewesen war, um die Leute für den anstehenden Winter zu versorgen. Mr. Frazier war nachher nicht in der Lage gewesen, zu beschreiben, was ihn angegriffen hatte. Das einzige, was er sagen konnte, war, daß es vom Dach der Fahrerkabine gekommen und stärker und schneller als alles gewesen war, was er bisher im Leben gesehen hatte.
    Tatsächlich hatte er gesagt, daß es so schnell gewesen sei, daß er überhaupt nichts gesehen habe. Die Polizei hielt seine Geschichte für ziemlich unwahrscheinlich, doch er blieb dabei.
    Mr. Frazier war bei dem Angriff bewußtlos geschlagen worden, und dann hatte man ihm seinen Truck gestohlen. Es hatte allerdings nicht lange gedauert, den Truck wiederzufinden. An diesem Abend, gleich nach Sonnenuntergang, waren die Pumpen in die Luft geflogen, die ihren Platz hoch über der Stadt in den Bergen gehabt hatten. Es sah aus, als wäre der Dieb zu den Pumpen hinaufgefahren und habe den Truck mitten auf dem kleinen Ölfeld zur Detonation gebracht. Zwei der Ölpumpen hatten sofort Feuer gefangen, und bevor Hilfe zur Stelle war, brannte bereits alles lichterloh. Es war wieder genauso wie nach dem Golfkrieg auf den Ölfeldern in Kuwait gewesen. Experten aus dem Mittleren Osten mußten eingeflogen werden, um das Feuer zu ersticken, und das dauerte mehrere Tage. Und zu allem Unglück lenkte der Brand der Pumpen von einer noch viel schlimmeren Katastrophe ab.
    Auf dem Berg gab es mehrere Pumpen. Zusätzlich dazu gab es noch sechs weitere Ölförderstellen, an denen jedoch keine Pumpen eingesetzt werden mußten; der natürliche, unterirdische Gasdruck reichte aus, um das Öl an die Oberfläche zu fördern. Diese Förderstellen und die dazugehörigen Tanks waren von der Explosion ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden, aber sie hatten kein Feuer gefangen. Die Ölleitungen waren beschädigt worden, und mehrere Tage lang floß unbemerkt Öl in den See, ein schwarzer Fluß, den der Rauch des Feuers verbarg. Natürlich bemerkten die Anwohner des Sees, was los war, noch bevor die Feuer gelöscht waren, doch der Ölfluß konnte nicht zum Versiegen gebracht werden, solange die Feuer nicht unter Kontrolle waren. Als dies schließlich gelungen war, war soviel Öl in den Point Lake geflossen, daß der Schaden irreparabel war. Die Kosten für die Reinigung des Sees wurden von Experten auf zehn Millionen geschätzt, und so hatte man beschlossen, daß der See im kommenden Frühjahr ausgetrocknet werden sollte. Ausgetrocknet und zugeschüttet, es war nicht tragbar, eine so dicke Teerschicht, wie sie sich zweifelsfrei bilden würde, offen liegen zu lassen.
    Der Point Lake war also tot.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher