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Lebt wohl, Genossen!

Lebt wohl, Genossen!

Titel: Lebt wohl, Genossen!
Autoren: György Dalos
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dieser Art.
    Der Putsch endete nicht nur als Niederlage für seine Organisatoren, sondern besiegelte auch das Ende der Sowjetunion. Ihm folgten die Selbstauflösung der KPdSU und die massive Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten. Der Bundesvertrag, gegen den eigentlich der Coup d’État gerichtet war, kam nie zustande, was bereits in die Richtung derLiquidation jener Pleitemasse zeigte, zu der die Supermacht geworden war. Statt dessen trafen Anfang Dezember 1991 im Naturpark Beloweschskaja Puscha der russische, ukrainische und weißrussische Präsident eine Vereinbarung über die Schaffung eines neuen Staatenbundes bei gleichzeitiger Annullierung des Föderationsvertrags von 1922. In diesem politischen Gebilde war kein Platz mehr für einen sowjetischen Präsidenten vorgesehen. Auch die Republiken zeigten an einer Fortsetzung des Staatenmodells Sowjetunion kein Interesse, nachdem sie in den Tagen des Putsches ihre Unabhängigkeit erklärt hatten.
    Die Rückkehr Gorbatschows von der Krim: Wo fahren wir hin, fragte der Chauffeur. Auf die Datscha, antwortete der Präsident
    Beginnend am 13. Dezember, führte Gorbatschow Telefongespräche aus dem Kreml mit seinen wichtigsten politischen Partnern der letzten sechs Jahre: mit dem US-Präsidenten, mit Bundeskanzler Kohl, Bundesaußenminister Genscher, dem französischen Präsidenten Mitterrand und dem britischen Premier Major. Schließlich bereitete er sich gemeinsam mit seinen Beratern auf den Abschied von der bereits nicht mehr sowjetischen Bevölkerung vor. Am 25. Dezember 1991 begann er die Rede zum ersten Mal nicht mit der gewohnten Wendung «Genossen», sondern mit der Ansprache: «Liebe Landsleute! Mitbürger!»
    Ohne dass hier eine historische Bilanz der beinahe 70 Jahre bestehendenUdSSR gezogen werden soll, muss doch angemerkt werden, dass eine der letzten Entscheidungen dieses Staates von tiefer Vernunft und Humanität zeugte: Es handelt sich um den Abzug der nuklearen Waffen aus den unabhängig gewordenen Republiken. Zur Zeit der Auflösung der Union befand sich ein Teil des Arsenals außer in der Russischen Föderation noch in der Ukraine, in Kasachstan und in Weißrussland. Alle neuen Staaten verzichteten auf die sowjetischen Waffen, um die Gefahr einer Katastrophe für sich selbst zu minimieren.
    Datscha Beloweschje
    Zur Masse von Nuklearwaffen in der Sowjetunion seien hier einige Zahlen genannt.
    In der Russischen Föderation gab es 1064 interkontinentale ballistische Raketen mit 4278 Sprengköpfen, 26 Atom-U-Boote mit 940 ballistischen Raketenträgern, in der Ukraine 176 interkontinentale ballistische Raketen – mehr als in Frankreich und Großbritannien zusammen. In Kasachstan waren es 104 interkontinentale ballistische Raketen mit 1040 nuklearen Sprengköpfen. Die Sicherstellung dieser enormen militärischen Schlagkraft kam zweifelsohne einer Abrüstung in großem Stil gleich.
    Die Erklärung über die Auflösung der Sowjetunion tippte die Sekretärin des Direktors des Naturparks auf dieser Maschine mit kyrillischer Tastatur, Marke Optima
D IE A NSICHTEN GEHEN AUSEINANDER
    20 Jahre sind seither vergangen, aber die Debatte über die UdSSR und ihren Zerfall hört nicht auf. Gorbatschow ist bis heute der Meinung, die Union hätte beibehalten werden sollen, und seine Stiftung widmete diesem Thema 1995 ein «Weißbuch». Sein Kontrahent Jelzin sah das selbstverständlich anders: «Ich habe niemals an der Richtigkeit des Schrittes 1991 gezweifelt. Dort in Beloweschskaja Puscha versuchten wir den einheitlichen politischen Raum nicht zu zerstören, sondern vielmehr zu bewahren. Die Sowjetunion konnte nicht weiter existieren, der Staat platzte aus allen Nähten. Wir ließen uns auf diesen Kompromiss ein, um die traditionellen Beziehungen aufrechtzuerhalten, um offene und interethnische Konflikte zu vermeiden.» Präsident Wladimir Putin sah in dem Zerfall der Supermacht «die größte geopolitische Katastrophe. Für das russische Volk erwies sich der Zusammenbruch als richtiges Drama. (…) Außerdem hat die Epidemie des Zerfalls auch Russland selbst ergriffen.»
    Ähnlich wie der Großrusse Putin, aber aus anderem Grund bedauert der Kommunistenchef Gennadij Sjuganow das Ende des Sowjetstaates: «Die entscheidende Rolle bei der Zerstörung des Landes spielte der subjektive Faktor: Die Schwäche und Inkompetenz der damaligen Führung, ihre Feigheit, die in direkten Verrat überging, die Degeneration eines bedeutenden Teils der politischen
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