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Leberkäsweckle

Leberkäsweckle

Titel: Leberkäsweckle
Autoren: Bernd Weiler
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Lichtempfinden. Also ging Knöpfle zurück zum Schalter und knipste das Licht halt wieder an. Dieses Spiel von Licht aus und Licht an wiederholte sich an solchen Tagen, wenn die Sonne ein wenig ins Büro hineinschien, mehrmals. Im Grunde genommen war es ein Ritual, das sie beide in ihrem Tagesablauf nicht missen mochten. Andere sagten Guten Morgen zueinander, wenn sie sich im Büro trafen. Sie hatten eben das.
    Willi Schirmer war zwar der dienstältere Beamte und nur noch wenige Jahre von seiner Pensionierung entfernt, aber Thomas Knöpfle hatte den höheren Dienstrang und war damit eigentlich der Vorgesetzte von Schirmer. Dieser hatte es in seiner langen Dienstzeit versäumt, hie und da auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen und den einen oder anderen Lehrgang zu absolvieren. Knöpfle nannte das »karriereresistent«. Nachdem er an Lehrgängen mitnahm, was ihm angetragen wurde, war ihr Verhältnis zwar menschlich noch immer in Ordnung, aber fachlich trafen Mittelalter und Neuzeit aufeinander. Für Schirmer war dies alles kein Problem, wie er auch sonst kein Mensch war, der sich aus der Ruhe bringen ließ.
    Früher hatte das Knöpfle nicht nur in Rage, sondern richtiggehend auf die Palme gebracht. Aber inzwischen hatte er hinsichtlich der stoischen Ruhe des Kollegen Schirmer längst resigniert und eingesehen, dass sich daran in den verbleibenden Dienstjahren wohl nichts mehr verändern lassen würde. Immerhin akzeptierte Schirmer, dass sich Knöpfle um dieses »neimodische Glomb«, den Dienstcomputer und alle digitalen Angelegenheiten, kümmerte. Diese Entwicklung war dermaßen ungestreift an dem Polizisten alter Schule vorbeigegangen, dass selbst die Bedienung des Mobilteils ihres Festnetzanschlusses für Schirmer nur mit einiger Mühe machbar war.
    »Liegt eigentlich was a?«, fragte Schirmer nun aus dem angrenzenden Büro und drehte sich dabei dynamisch auf seinem alten Holzdrehstuhl, der herzerweichend quietschte.
    Schon seit einiger Zeit erwog Knöpfle den Gedanken, aus dem Nebenbüro eines schönen Tages ein Polizeimuseum zu machen. Einfach eine Kordel in den Türbogen hängen, dann ein Messingschild an die Wand daneben: »Polizeibüro 50er-Jahre, Originalzustand«.
    »Nichts Besonderes«, antwortete er jetzt, »eine Mail von der Landespolizeidirektion, wir sollen die Jugendschutzgesetze bekannter machen.«
    »Worom des denn?«, fragte Schirmer.
    »Na wegen dem Jugendschutz eben, zum Schutze der Jugend vor allerlei Unbill und wohl vor allem wegen diesem Koma-saufen«, gab Knöpfle zurück.
    Schirmer erhob sich aus seinem Drehstuhl und kam gemächlichen Schrittes herüber. Er lehnte sich in den Türbogen, schaute dem angeblichen Vorgesetzten scharf ins Auge und fragte: »Ond wie soll des ausseha? I gang heit Obend an da Edeka-Parkplatz nom, zo dene Saufkappa, ond erklär dene, dass Alkohol au koi Lesung isch?« Er schüttelte ungläubig den Kopf. Es war immer dasselbe.
    Solche Ansinnen der höheren Polizeiführung lösten in ihm regelrechte Eruptionen aus. Schließlich stand er tagtäglich dort draußen auf der Straße seinen Polizeimann. Er war die Polizei im Städtchen, nicht etwa Knöpfle. Der wurde kaum ernst genommen. Hier aufgewachsen, Vater Polizist, er auch Polizist, tja, was soll man da noch sagen? Aber Schirmer, der Willi, der war eine Institution. Er hatte sich vom einfachen Streifenbeamten zum Kriminalkommissar hochgedient, das war in früheren Zeiten noch möglich gewesen. Wenn er den Marktplatz überschritt, dann bildeten sogar die Tauben ein Spalier!
    Knöpfle winkte mit der ausgedruckten E-Mail. »Und was machen wir damit jetzt?«, fragte er.
    »Jetzt damit«, gab Schirmer zurück. »Dei Satzstellung hat sich koin Deut verbessert!« Immer noch kopfschüttelnd schnappte er sich das Blatt, brummte ein »Lass mir was eifalla«, und damit war die Sache erledigt. »Ich mach die Rond«, sagte er noch und war auch schon zur Tür hinaus.
    Die sogenannte Rond würde den alten Kriminalkommissar auch am Rathaus Pfenningens vorbeiführen. Allerdings gab es hier im Ort mehr als ein Rathaus. Am historischen Marktplatz und drum herum verteilte sich die städtische Verwaltung auf mehrere Häuser. Das waren alles geschichtsträchtige Fachwerkbauten mit bautechnisch durchaus interessantem Innenleben. So war es für den Pfenninger Bürger nicht immer ganz einfach, den richtigen Weg, also das richtige Rathaus zu finden, wenn er ein Anliegen hatte.
    Gegenüber den Rathäusern stand die Christuskirche, die
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