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Leberkäsweckle

Leberkäsweckle

Titel: Leberkäsweckle
Autoren: Bernd Weiler
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sich in den nächsten Stunden über Pfenningen entfalten würde.
    Irgendwann würde er auch darüber dichten. Da wagte er sich bisher noch nicht ran. Er schrieb seine Verse über die Stadt und ihre Menschen, vorwiegend zu Jubiläen oder Geburtstagen. Dafür war er schon bekannt. Nicht dass er schon der »dichtende Bürgermeister von Pfenningen« genannt worden wäre, aber immerhin war das eine oder andere Gedicht bereits in der örtlichen Tageszeitung abgedruckt worden. Das konnte allerdings auch daran liegen, dass es der Bürgermeister gewesen war, der hier gedichtet hatte.
    Nun waren es schon sieben Jahre, dass er dieser Gemeinde am Fuße der Schwäbischen Alb vorstand. Sieben schöne Jahre, wie er fand. Er mochte die Menschen hier, und er liebte vor allem den Blick auf die Alb, dieses kleine Gebirge, das so viele Überraschungen und Eigenheiten barg.
    Er warf einen Blick auf die Uhr über seinem Schreibtisch. Punkt sieben. Er war immer der Erste im Rathaus. So konnte er schon das eine oder andere abarbeiten und seine Mitarbeiter der Reihe nach begrüßen.
    Grüßen konnte Frieder Kötzle noch niemanden, denn am frühen Morgen war noch keiner am Georgenberg. Gerade deshalb war ihm dies die liebste Zeit in seinem Gütle – so nannte man hier einen Schrebergarten –, wenn die Sonne sich langsam über den Albtrauf schob und die ersten Strahlen ins Tal fielen.
    Obwohl einige Aufgaben auf ihn warteten, setzte er sich zuerst mal auf sein Bänkchen und genoss seinen Zigarillo, dessen Rauch er mit Absicht in Richtung Beutlingen blies. So war das mit dem Leben, dachte er, die langen Jahre der Arbeit waren vorbei, keine Hektik mehr, keine Termine, nur noch er und Barbara. Aber das konnte so nicht gut gehen. Man lebte nicht fast vierzig Jahre miteinander, hatte einen Alltag, Freunde, Liebe, Kinder, und dann kam ein Tag, an dem dies alles plötzlich vorbei war. Die Kinder aus dem Haus, der Alltag weg, und keiner rief mehr an. Es war ihm unheimlich geworden, damals vor drei Jahren, also hatte er sich auf sein Gütle konzentriert. Barbara hatte das gleich verstanden und widmete ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem Blumen- und Gemüsebeet. Wann immer sie ein wenig Zeit hatte, arbeitete sie daran oder saß auf der gusseisernen Bank und betrachtete ihr Kleinod stolz und zufrieden. Sie verstand ihren Frieder, sie wusste, wie tief er in seinem Beruf dringesteckt hatte. Da so richtig rauszukommen, das brauchte eben seine Zeit.
    Zeit, das war für Franz Werth eine Sache, die er nicht mehr so richtig hatte. Er war sich klar geworden, über vieles, vor allem aber darüber, dass er dies alles so nicht mehr mitmachen wollte.
    Seine Frau war vor fünf Jahren gestorben. Sie hatten ein schönes und bewegtes Leben gelebt miteinander. Eine Leistung, dachte Franz, vor allem für ihn als Rheinländer hier im Schwäbischen. Ein kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er an früher dachte. Im Grunde genommen waren diese Schwaben doch ganz nette Menschen.
    Klar, anfangs war es ein Kampf gewesen. Er hatte hier erst mal kein Wort verstanden. Hatte gedacht, er müsste eine neue Sprache lernen, und so manches Mal war er sich vorgekommen wie auf einer Expedition, die einen unbekannten Stamm entdeckt hatte. Hier richtig reinzukommen, das war wirklich nicht so einfach. Das ging nicht mit ein paar Bieren an irgendeinem Tresen, das entwickelte sich mit Vereinsmitgliedschaft und Kirchenbesuch, mit Kindergartenvorstand und Wurstschnappen-Organisieren. Was hatte er sich reingehängt und gemacht.
    Dann, nach drei Jahren auf dem Entengartenfest, der Tiefschlag. Er hatte es nur zufällig gehört: »Wer isch des denn?«, hatte einer gefragt. »D’r Kelner«, kam es zurück. So war er halt »d’r Kelner«, der Kölner, geblieben. Für immer.
    Aber es nutzte nichts, sich in Erinnerungen zu verlieren. Sein Entschluss war gefasst. Er wollte nur noch einmal in die Kirche, wo sie sich damals das Jawort gegeben hatten.
    Sein Weg führte ihn über den Marktplatz von Pfenningen zu den vier Stufen der Christuskirche. Eine davon war immer noch kaputt. Beinahe wäre seine Frau damals die Treppe hinaufgestürzt; er hatte sie gerade noch auffangen können.
    Er betrat die Kirche, setzte sich in eine der Kirchenbänke. Dort waren sie hereingekommen, damals, und dort hatten sie Ja zueinander gesagt. Es war ein schöner Gottesdienst gewesen. Aber das war Vergangenheit und deshalb vorbei.
    Zu Hause war alles vorbereitet. Er würde die Tabletten schlucken, ein letztes Glas
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