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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman
Autoren: Kate Atkinson
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Koordinierungsbesprechung darüber redeten.
    Die Möglichkeit, dass der Fall irgendwie mit Joanna Hunter in Verbindung stand, wurde nicht erwähnt. Sie verschwand, sie tauchte wieder auf. Ende der Geschichte. Anderson kam nach Rosen riechend aus der Sache raus, Mr. Hunter dagegen wurde angeklagt wegen Brandstiftung zum Zweck des Versicherungsbetrugs.
    Marcus’ Tod machte mehrere Tage Schlagzeilen. »Heldenhafter Polizist« und so weiter. Seine Mutter stellte die lebensunterstützenden Maschinen nach einer Woche ab, und er wurde kurz vor Weihnachten bestattet. »Es ändert nichts«, sagte sie. »Es wird kein Weihnachten mehr geben.« Am Tag nach der Beerdigung sprang sie um drei Uhr morgens von der North Bridge. Dafür verdiente auch sie einen Orden.
    Und was Decker anbelangte, tat Louise sich schwer, etwas zu begreifen.
    »Sie haben ihn im Gefängnis besucht«, sagte sie zu Joanna Hunter. »Warum?«
    »Ach, einfach so«, sagte sie. »Dies und das, Sie wissen, wie es ist.«
    »Nein, ich weiß es nicht«, sagte Louise.
    Joanna Hunter schmückte ihren Weihnachtsbaum, hängte billige Glaskugeln auf, als wären es wertvolle Juwelen. »Er hat bereut, was er getan hat. Im Gefängnis ist er gläubig geworden«, sagte sie und betrachtete den weißen Engel in ihrer Hand, der auf die Baumspitze sollte.
    »Er ist zum Katholizismus konvertiert«, sagte Louise. »Und dann hat er sich umgebracht. Er muss gewusst haben, dass das für einen Katholiken ewige Verdammnis bedeutet.«
    »Vielleicht meinte er, dass das die beste Strafe für ihn ist«, sagte Joanna Hunter und stieg auf eine Standleiter, um die Spitze des Baums zu erreichen.
    »Sie wissen, wie man schießt«, sagte Louise und hielt die Leiter fest.
    »Ja. Aber ich habe nicht geschossen.«
    Und Louise dachte, nein, aber irgendwie hast du ihn dazu gebracht, es selbst zu tun.
    »Ich habe ihn besucht, weil ich wollte, dass er verstand, was er getan hatte«, sagte Joanna Hunter, als sie den Engel auf die Spitze des Baums steckte. »Er sollte begreifen, dass er Menschen grundlos das Leben genommen hatte. Als er mich als Erwachsene mit dem Baby gesehen hat, hat er es vielleicht begriffen, hat er vielleicht darüber nachgedacht, wie Jessica und Joseph jetzt wären.« Gute Erklärung, dachte Louise. Sehr rational. Einer Ärztin würdig. Aber wer wusste, was sie ihm sonst noch über den Besuchertisch zugeflüstert hatte.
    Sie hatte das Baby mitgenommen. Das Gute und das Böse ihres Lebens im selben Raum, und das Böse war bezwungen worden. Sollte Louise je in Gefahr sein, sollte sie in einer dunklen Nacht am Ende einer dunklen Straße stehen und nirgendwohin laufen können, sie war überzeugt, dass Joanna Hunter an ihrer Seite kämpfen würde. Jedenfalls würde sie lieber mit ihr als gegen sie kämpfen.
    Und war sie zufrieden, als Decker sich das Hirn herausblies? Louise war nicht zufrieden gewesen, als David Needler sich selbst erschoss. Es war der leichte Weg raus – Shipman, West, Thomas Hamilton, sie hatten die Kontrolle über ihren eigenen Tod behalten. Sie hätte David Needler lieber vor einem Exekutionskommando gesehen, wohl wissend, dass er bezwungen war.
    Joanna Hunter stieg die Leiter wieder herunter und schaltete die Kerzen am Weihnachtsbaum ein. »Na also«, sagte sie. »Sieht er nicht schön aus, Kriminalhauptkommissarin?«
    »Nennen Sie mich Louise.«
     
    »Prost«, sagte Louise und hob das Glas mit Orangensaft, und Alison sagte: »Prost.«
     
    »Ich habe zu Weihnachten ein kleines Hündchen geschenkt bekommen«, sagte sie zu den Kindern von Alison Needler. »Wenn er ein bisschen größer ist, werde ich ihn zu euch mitnehmen.«
    »Wie heißt er?«, fragte Cameron.
    »Jackson«, sagte Louise.
    »Ein komischer Name für einen Hund«, sagte Simone.
    »Ja«, sagte Louise. »Ich weiß.«

O Tannenbaum, o Tannenbaum
    F rohe Weihnachten«, sagte Dr. Hunter und hob die Tasse. Sie begingen den Weihnachtsmorgen mit Kaffee, süßem Gebäck und Brandy Butter zum Frühstück. (»Ach, um Himmels willen, warum nicht?«, sagte Dr. Hunter.) Das Baby aß Haferbrei und ein weichgekochtes Ei. Dann machten sie um den Christbaum die Geschenke auf. Das Baby bekam einen Hund zum Schieben, der ein bisschen wie ein Labrador aussah, aber es interessierte sich mehr für das Geschenkpapier. Sadie, ein richtiger Hund, bekam ein schönes Halsband und einen neuen Ball, der bis zur Decke sprang. Dr. Hunter brachte Reggie zum Weinen, weil sie ihr ein brandneues PowerBook schenkte, das ihr
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