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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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entfernten Darstellungen begegnet.« Nur mit der Einleitung, die Balzac und der »Übersetzer« dem Werke voranschickten, waren die «Blätter« nicht einverstanden. Sie nennen die Vorrede nüchtern und einfältig und wenden sich gegen die »moralischen« Absichten des Dichters ebenso wie gegen die Behauptung des Übersetzers, daß die »Lebensbilder« keinen poetischen, sondern einen praktischen Zweck hätten.
    Des Franzosen Erfolg war nach diesen maßgebendsten Anerkennungen in der damaligen deutschen Publizistik vollkommen: niemand hatte erkannt, daß nicht der unverfälschte Balzac zu Worte gekommen war, sondern ein armer deutscher Dichter, der keinen anderen Weg sah, um zum Publikum zu sprechen, als indem er sich maskierte und Leser und Kritik düpierte. Da es ihm gelungen war, ohne daß jemand seine Täuschung durchschaut hätte, – was die damalige deutsche Kritik immerhin scharf charakterisiert! – konnte er ein Jahr später noch kühner seine literarische Fälscherkunst fortsetzen. Unter demselben Haupttitel »Lebensbilder« gab er zunächst in Gubitz' »Gesellschafter« (1831, Nr. 192 – 201) den ersten Teil von » La Peau de chagrin «. »Das Elendsfell« hat Schiff sehr glücklich die Originalbezeichnung umschrieben. Er zerfällt die französische Novelle in drei scheinbar unzusammenhängende Novellen, von denen die erste (»Das Elendsfell«) 1831 in der Berliner Zeitschrift erschien, während die beiden anderen erst 1832 im «Gesellschafter« (Nr. 1 – 18 und 28 – 35) und dann, mit der ersten vereint, in demselben Jahre auch in Buchform an die Öffentlichkeit traten. (»Das Elendsfell. Drei Novellen nach Balzac. Berlin 1832.«) Im »Gesellschafter« konnte Schiff seiner Novelle folgende Bemerkungen voranschicken: »Die Übersetzung der ›Lebensbilder‹ von Balzac wurde in Deutschland allgemein gut aufgenommen. Die Rezensionen darüber fielen sehr günstig aus. Die ›Blätter für literarische Unterhaltung‹ nahmen keinen Anstand, Balzac den ersten Meistern der Novelle gleichzustellen: sie rühmten seine schöne, poetisch-leidenschaftliche Sprache und sinnreiche Charakteristik. – Die ›Jenaer Literaturzeitung‹ glaubte, ihn auf ganz andere Weise den Damen zur Lektüre empfehlen zu dürfen – kurz, jedermann wunderte sich über diesen französischen Romantiker, und der Übersetzer, indem er ein neues Lebensbild Balzacs unter dem alten Titel (la peau dee chagrin) hingibt, hofft, dieselbe Zufriedenheit des Lesers zu erwerben mit seiner Arbeit .....«
    Über » diesen französischen Romantiker«, wie ihn Schiff vorführt, kann man sich in der Tat verwundern, und zwar über das »Elendsfell« noch weit mehr als über die »Lebensbilder«. Denn während er in dem letztgenannten Werke noch einigermaßen zaghaft mit seiner Vorlage umgegangen war, ließ er in dem erstgenannten nicht einmal das Gerippe unangetastet, sondern verkehrte Balzacs Ansichten in ein völlig entgegengesetztes Extrem. Es ist erst später (1835) bekannt geworden, welche Pläne Schiff eigentlich bei seinem Tun leiteten. Er hat nicht , wie Goedeke behauptet, selbst bekannt [Fußnote: Goedeke zitiert nicht, wo Schiff dieses Selbstbekenntnis abgelegt haben soll. Es findet sich auch nirgends ein diesbezüglicher Hinweis. ] , daß er sich gestattet habe, ganz Deutschland zu düpieren, sondern Willibald Alexis war es, der in seinem »Freimüthigen« (1835, Nr. 220 – 222) die überraschende Mitteilung machte, daß es Schiffs Vorsatz gewesen sei, Balzac zu parodieren . Dieser Aufsatz wird noch in der Biographie Schiffs, die, um den Zusammenhang dieser Erörterung nicht zu stören, gesondert mitgeteilt wird, seinen Platz finden müssen. Er ist nicht nur inhaltlich, sondern auch wegen seines Verfassers von der größten Bedeutung. Denn da gerade Alexis von Schiffs tieferen Absichten, die Balzacumdichtung betreffend, Mitteilung machte, liegt die Annahme sehr nahe, daß zwischen den beiden Freunden diese Düpierung verabredet wurde. Alexis konnte den jungen Literaten ja aus eigener Erfahrung darauf verweisen, wieviel Glück man mit eigenen Arbeiten machen könne, wenn man sie in Deutschland unter dem Aushängeschild berühmter ausländischen Autoren erscheinen lasse.
     
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    Literarische Unterschiebungen sind bei allen Völkern anzutreffen. Entweder man annektierte einen berühmten Namen eines Dichters und gab ein in seinem Geiste geschaffenes Werk heraus, oder man ging noch um den bedeutsamen Schritt weiter, unter dem Namen
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