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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Berger. Er liegt am Boden und atmet schwer. Seine Augenlider flattern. Er scheint aufzuwachen. Statt irgendetwas Vernünftiges zu sagen, krächze ich bloß: „Was?“
    Und plötzlich Lärm. Jemand hat die Anlage angemacht. Motoren, Geräusche – und Stimmen. Berger? Weis? Die sind da bei mir. Ich versuche zu schreien, es wird ein Röcheln. Hör hin, Mira. Das ist nicht das Recyclingmonster. Befehle. Jemand schreit Befehle. Es sind mehrere Stimmen. Ich schüttle mich, ich renne. Sie dürfen mich nicht einholen. Es ist wie im Albtraum, ich setze Schritt nach Schritt wie auf einem Planeten mit viel zu viel Schwerkraft, ich höre sie näher kommen, und dann jemand, der meinen Arm festhält. Ich versuche ihn abzuschütteln, ich trete um mich. „Bist du verrückt, Mira Valensky?“ Ich kenne das, was da schreit. Die. Vesna. Ich röchle irgendetwas. Ich sacke zusammen.
    „Hab ich dich angerufen?“, frage ich dumpf. Vesna hockt neben mir. „Du hast angerufen und nichts gesagt und da war Lärm, ein Poltern, Steine, ich habe gedacht: Recyclinganlage und bin los und habe alle verständigt.“
    Ich war es, die auf die Steine gepoltert ist. Aber so leicht bin ich nicht zu zerkleinern.
    Ich blinzle. Die Recyclinganlage steht ein ganzes Stück von mir entfernt, dort sind auch große Taschenlampen, Polizeifahrzeuge mit Blaulicht, erstaunlich viele Menschen. Wir hocken auf der anderen Seite des Gebüschs, vor dem wir vor so kurzer Zeit mit Slobo und seinen neuen Kollegen gesessen sind. Ich versuche aufzustehen. Die Ballonknie sind immerhin zu Tennisballknien geschrumpft. Es geht. Vesna stützt mich.
    „Ist so weit alles okay?“, fragt sie besorgt.
    „Habt ihr ihn?“ Ich starre zur Menschenansammlung hinüber. Zwei Polizisten in Uniform halten jemanden fest. Wenn ich nur besser sehen würde. Flutlichttaschenlampe. Er hat jedenfalls keine Glatze.
    „Es war Berger“, sagt Vesna.
    Berger? Wo ist Weis? Sagt nicht, dass er mich gerettet hat. Das kann nicht sein, will ich schon sagen. Was kann nicht sein? Alles, was ich nicht sehen will? Denke an Näherliegendes. Es, nein er hat mich nicht zur Recyclinganlage gekarrt, sondern weg von ihr. Warum? Wo wollte er hin mit mir? Oder wollte er mich anderswo ermorden und dann … Warum der Aufwand? Es dauert länger, mich zu betäuben und in eine Schubkarre zu verfrachten, als mich umzubringen. Ich denke noch viel zu langsam. Ich wende meinen Blick zwischen dem Recyclingmonster und dem, was hier hinter dem Gebüsch liegt, hin und her. Aber da ist nichts. Nur ein verrosteter Container, zwanzig, dreißig Meter entfernt. Von denen gibt es hier viele. Oder aber … Auch Vesna starrt den Container an.
    „Wer weiß“, sage ich.
    Vesna lässt mich los und sprintet hin, ich torkle ihr hinterher und höre, wie jemand „Nein!“ brüllt. Berger.
    Vesna hat eine Eisenstange in der Hand. Der rostrote Container ist verschlossen. Wir tasten im Dunkeln nach einem Schloss, nach irgendeiner Vorrichtung, die sich öffnen lässt. Vesna schlägt mit der Eisenstange gegen die Containerwand. Sie soll ruhig sein. Wir müssen hören, ob von drinnen Geräusche kommen. Ich packe Vesna am Arm und drücke meinen Zeigefinger an die Lippen. Vesna nickt. Wir stehen still. Ist da jemand? Wir hören in der Ferne Befehle, es scheinen weitere Autos zu kommen. Hört man etwas von da drin? Ich höre nichts. Aber jetzt sehe ich einen Längsbalken, an dem ein Schloss hängt. Ich deute hin. Vesna nimmt ihre Eisenstange als Hebel, reißt an. Nichts. Ich packe die Stange. Wir probieren es noch einmal, gemeinsam. Was werden wir finden? Das Schloss springt zur gleichen Zeit auf, wie Verhofen, Zuckerbrot und zwei andere Beamte keuchend neben uns zu stehen kommen. Die Containertüre schwingt mit einem Knarren auf. Ich kneife die Augen zusammen. Drinnen ist es stockfinster. Oder haben meine Augen etwas abbekommen? Vesna ist im Container. Sie schreit auf. Es klingt dumpf, wie aus einem Grab. Die Beamten stürmen hinein. Taschenlampe im Container, Irrlicht. Ich kann nur draußen stehen und aufpassen, dass ich nicht umfalle. Und zuschauen.
    Sie haben jemanden mit. Da ist jemand, der nach draußen taumelt. Gestützt von Vesna. Carmen. Meine Beine knicken ein. Giraffenbeine. Aber ganz ohne Knie. Noch mehr Menschen, die von der Recyclinganlage her auf uns zurennen. Ich drehe den Kopf. Zwei übergroße Gestalten. Irgendwie haben sie etwas Urzeitmäßiges. Bisons. Büffel. Die Tiere halten an. Slobo und Oskar. Und Oskar streckt mir die
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