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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad
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schnurrte fast unhörbar unter seinen Schritten. Er kam nicht umhin, sich zu fühlen wie ein Hamster in seinem Laufrad. Und weil er dieses Gefühl nicht ertragen konnte, erhöhte er das Tempo des Bandes bis zu dem Punkt, an dem die Anstrengung jede weitere Überlegung verbot.
    * * *
     
    Gegend Abend wurde Sascha von einem verheißungsvollen Geruch aus seiner neuen Behausung gelockt. Der Duft von Bratwürstchen und Steaks schwebte durch das offene Fenster und erinnerte ihn daran, dass er seit dem kargen, unangenehmen Frühstück daheim nichts Anständiges mehr gegessen hatte. Die drei belegten Brötchen, die Packung Fruchtbonbons, das Eis und die beiden Schokoladenriegel von der Tankstelle unterwegs zählten nicht. Das reichte kaum für den hohlen Zahn.
    Zufrieden sah Sascha sich um. Seine Sachen waren ausgepackt, er hatte geduscht und seinen Computer angeschlossen. Zu seiner Erleichterung gab es in seinem neuen Zimmer einen Telefonanschluss, sodass er problemlos ins Internet kam. Abgesehen von einem Schwarz-Weiß-Foto eines namenlosen männlichen Models an der Innenseite der Tür hatte er noch nichts aufgehängt. Er musste die Verschönerung des Raums nicht über das Knie brechen. Manche Dinge mussten wachsen.
    Sascha warf einen letzten Blick in den ovalen Spiegel an seinem Kleiderschrank und grinste sich selbst verwegen zu. Die neue Haarfarbe gefiel ihm. Seine mausbraunen Fransen waren ihm seit der siebten Klasse ein Dorn im Auge gewesen. Sich die zu wilden Stacheln geschnittenen Haare schwarz zu färben, war die letzte Trotzreaktion gewesen, die er sich zu Hause geleistet hatte.
    Was hatte sein Dad noch gesagt, als er ihn mit seinem neuen Kopfputz sah? „So weit ist es also gekommen. Seit wann färben sich richtige Männer die Haare?“
    Sascha schnaubte. Er fand, dass sein Gesicht jetzt ungleich markanter wirkte. Nicht weich, nicht feminin, schön kantig und scharf geschnitten. Männlich eben. Dazu noch der Hauch eines Bartwuchses am Kinn und auf den Wangen und er ging locker als 21 durch.
    Groß war er außerdem, auch wenn er das Schlaksige der Jugend noch nicht verloren hatte. Irgendwann würde er sich breite Schultern zulegen, aber nicht in diesem Sommer. Für anstrengenden Sport war im Winter noch genug Zeit.
    Apropos Zeit. Sein Magen knurrte und trieb ihn durch das Haus nach unten. Tanja stand in abgeschnittenen Jeans in einer geschützten Ecke der Terrasse und betrachtete das Grillgut vor sich. Als sie ihn kommen hörte, drehte sie sich um und fragte: „Du hast nicht zufällig ein Händchen fürs Grillen? Normalerweise lässt Aiden mich nicht an sein heiliges Barbecue“, sie sprach das letzte Wort mit überzogen starkem amerikanischen Akzent aus, „aber da er ja nun einmal nicht hier ist ...“
    Aiden Holmes war Tanjas Mann. Er war ein gebürtiger Amerikaner, den es dank eines Engagements im Hamburger Symphonieorchester nach Deutschland gezogen hatte. Dort hatten Tanja und er – sie war Bratschistin, er Hornist – sich kennengelernt. Aber wie so oft in der Musikbranche war sein Engagement im letzten Jahr nicht verlängert worden, während Tanja bleiben konnte. Seitdem führten sie eine Fernbeziehung, was angesichts der beiden noch recht jungen Kinder nicht leicht war.
    Grinsend nahm Sascha ihr die Grillzange aus der Hand und nahm ihre Position vor der Kohle ein: „Kein Problem.“
    „Fein, dann hole ich noch den Salat und das restliche Besteck.“ Sie deutete hinüber zu einem liebevoll gedeckten Tisch, auf dem bereits Getränke, Teller, verschiedene Soßen und ein Brotkorb warteten. „Bin gleich wieder da.“
    Das Essen war eine lustige Angelegenheit und dauerte lange genug, dass Sascha sich nicht mehr fremd oder fehl am Platze fühlte. Seine Tante redete wie ein Wasserfall und hatte die angenehme Eigenart, nicht zu essen wie ein Spatz, wie viele Frauen es ihrer Linie zuliebe taten.
    Ihre achtjährige Tochter Sina war anfangs etwas schüchtern, doch ihr zwei Jahre älterer Bruder Fabian suchte sofort den Kontakt zu Sascha. In der neunmal-klugen Art eines vorpubertären Jungen verkündete er, dass er ja so froh wäre, dass endlich noch ein Mann im Haus wäre, und schwor seinen Cousin ein, gegen die Frauen zusammenzuhalten.
    Fabian war ein bisschen anstrengend und sein Wortschatz schien größtenteils aus cool , krass und cremig zu bestehen, aber Sascha mochte ihn trotzdem. Alle waren nett zu ihm und gut gelaunt. Es war schön, nicht über den Teller hinweg komisch beäugt zu werden.
    Das letzte
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